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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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war, das er in Auftrag gab?»
    « Ich erinnere mich nur daran, daß er davon entzückt war.»
    « Kein Problem. Vielleicht macht es dem gnädigen Herrn nichts aus, sich morgen noch einmal herzubemühen. Bis da hin werde ich die näheren Einzelheiten herausgesucht haben. Erlauben Sie mir, das zu erklären.» Er zeigte mir die Skizze in seiner Hand, ein Entwurf für einen Entschlafenen, dessen In schrift ihn als « Ingenieur der Städtischen Röhren- und Ka nalanlagen» auswies.
    «Nehmen Sie diesen Kunden», sagte er, bei diesem Thema in Fahrt kommend. « Ich habe einen Entwurf mit seinem Namen und der Auftragsnummer. Wenn das Stück fertig . ist, wird der Entwurf entsprechend der Art des Stücks abge heftet. Von da an muß ich meine Verkaufsbücher zu Rate ziehen, um den Namen des Kunden zu finden. Jedoch bin ich im Augenblick ein wenig in Eile, ich muß diese Arbeit fer tigstellen und bin wirklich -» er tätschelte seinen Magen «- heute völlig marode.» Er hob entschuldigend die Schul tern. « Letzte Nacht, Sie verstehen. Außerdem habe ich zu wenig Personal.»
    Ich dankte ihm und überließ ihn seinem « Ingenieur der Städtischen Röhren- und Kanalanlagen». Das war vermut lich die Berufsbezeichnung, die man sich geben würde, wenn man in dieser Stadt Klempner wäre. Welche Art von Titel, fragte ich mich, gaben sich wohl die Privatdetektive? An der Außenseite der Straßenbahn hängend, auf dem Rückweg zur Stadt, lenkte ich mich von meiner gefährlichen Lage ab, in dem ich mir eine Anzahl wohlklingender Titel für meinen ziemlich gewöhnlichen Beruf ausdachte: Praktiker einer Einsamen Maskulinen Lebensform; Nicht-Metaphysischer Nachforschungsagent; Interrogativer Mittelsmann der Ver wirrten und Furchtsamen; Geheimer Anwalt der Vertriebe nen und Verstoßenen; Gralsfinder auf Bestellung, Sucher nach der Wahrheit. Die letzte Bezeichnung gefiel mir am be sten von allen. Aber zumindest was meinen Klienten in die sem bestimmten Fall betraf, gab es nichts, was das Gefühl an gemessen wiederzugeben schien, für eine aussichtslose Sache zu arbeiten, die selbst einen Mann abgeschreckt hätte, der eisern an dem Dogma festhielt, die Erde sei eine Scheibe.
    14
    In jedem Reiseführer konnte man lesen, daß die Wiener das Tanzen fast genauso leidenschaftlich liebten wie die Musik. Aber andererseits waren die Bücher allesamt vor dem Krieg geschrieben worden, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß ihre Verfasser jemals einen ganzen Abend im Casanova Club verbracht hatten.
    Die Band wurde so lahm dirigiert, daß man sich in die allerletzte Kaschemme versetzt fühlte, und das Beinewerfen, das nur entfernt an etwas Tänzerisches erinnerte, schien eher dargeboten zu werden, um einen Polarbären nachzuahmen, den man in einem sehr kleinen Käfig hielt. Den Bedarf an Leidenschaft mußte der Anblick des Eises decken, das sich geräuschvoll dem Schnaps im Glas hingab.
    Nach einer Stunde im Casanova Club war ich so griesgrä mig wie ein Eunuch in einem Bad voller Jungfrauen. Ich riet mir selber zur Geduld, lehnte mich in meiner roten Samt und-Satin-Nische zurück und starrte unfroh an die zeltähn liche Drapierung der Decke: Wollte ich nicht enden wie Bek kers zwei Freunde (was er auch sagen mochte, ich hatte kaum Zweifel, daß sie tot waren), war das letzte, was ich tun konnte, durch die Bar zu hüpfen und die Stammgäste zu fra gen, ob sie Helmut König oder vielleicht seine Freundin Lotte kannten.
    Betrachtete man die lächerliche Plüsch-Oberfläche der

    Bar, sah sie nicht wie ein Ort aus, den ein furchtsamer Engel lieber mied. Es gab weder extragroße Smokings an der Tür, noch sah jemand so aus, als trage er eine gefährlichere Waffe als einen silbernen Zahnstocher, und die Kellner waren alle samt von lobenswerter Unterwürfigkeit. Falls König das Ca sanova nicht mehr besuchte, dann nicht, weil er sich vor Ta schendieben fürchtete.
    «Hat sie schon angefangen, sich zu drehen?»
    Sie war ein großgewachsenes, auffallendes Mädchen mit jenen überbetonten Körperformen, die ein italienisches Fresko aus dem sechzehnten Jahrhundert geziert hätten: nichts als Brüste, Bauch und Hinterteil.
    «Die Decke», erklärte sie und deutete mit ihrer Zigaret tenspitze nach oben.
    «Bis jetzt jedenfalls noch nicht.»
    « Dann können Sie mir einen Drink spendieren», sagte sie und setzte sich neben mich.
    «Ich fing schon an, mir Sorgen zu machen, Sie würden nicht auftauchen.»
    «Ich weiß, ich bin das Mädchen, von dem Sie geträumt ha

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