Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Im 3. Bezirk, im britischen Sek tor.»
< Wir gingen nach Osten durch Straßen, die so still waren wie Zellen von Trappisten.
«Sie haben noch nicht erklärt, warum Sie mir geholfen ha ben », brach sie nach einer Weile das Schweigen.
«Ich frage mich, ob Andromeda das zu Perseus sagte, nachdem er sie vor dem Meeresungeheuer gerettet hatte.»
« Sie scheinen offenkundig ein bißchen weniger heldenhaft zu sein, Herr Gunther.»
«Lassen Sie sich durch mein Benehmen nicht täuschen», sagte ich. «In meinem Leihhaus habe ich eine ganze Kiste voller Orden.»
«Also sind Sie auch nicht der sentimentale Typ.»
«Ich mag Sentimentalität. Sie macht sich gut auf Häkel decken und Weihnachtskarten. Leider macht sie auf die Iwans kaum einen Eindruck. Oder haben Sie vielleicht nicht hingeguckt ? »
«Oh, ich hab's genau gesehen. War sehr eindrucksvoll, wie Sie ihn behandelt haben. Ich habe nicht gewußt, daß sich die Iwans so schmieren lassen.»
«Sie müssen nur wissen, welche Stelle der Radachse man schmieren kann. Der Feldwebel hätte wahrscheinlich zuviel Schiß gehabt, ein paar Piepen zu nehmen, und ein Major wäre zu stolz gewesen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ich unseren Hauptmann Rustaweli schon kannte, als er schlicht Leutnant Rustaweli war und er und seine Freundin sich was eingefangen hatten. Ich besorgte ihm ein bißchen gutes Penicillin, und er war mir dafür sehr dankbar.»
«Sie sehen nicht aus wie ein Schwarzhändler.»
«Ich sehe nicht aus wie ein Schwarzhändler, ich sehe nicht aus wie ein Held. Wer sind Sie, der Besetzungschef von War ner Brothers? »
«Ich wünschte bloß, ich wär's», murmelte sie und fügte dann hinzu: «Jedenfalls haben Sie die Sache in die Hand ge nommen. Sie sagten zu diesem Iwan, ich sähe nicht aus wie ein Flittchen ... Aus Ihrem Mund, würde ich sagen, hört sich das fast wie ein Kompliment an.»
«Wie ich schon sagte, ich habe Sie im Oriental gesehen, und da haben Sie nichts verkauft als schlechte Karten. Übri gens, ich hoffe, Sie sind eine gute Kartenspielerin, weil man von mir erwartet, daß ich noch mal hingehe und ihm etwas für ihre Freiheit hinblättere. Vorausgesetzt, daß Sie wirklich nicht in den Knast wollen.»
«Wieviel wird das sein? »
«Zweihundert Dollar müßten reichen.» - «Zweihun dert?» Ihre Worte hallten um den Schwarzenbergplatz, als wir an der großen Fontäne vorbeikamen und in den Renn weg einbogen. «Wo soll ich soviel Mäuse herkriegen? »
« Dort, wo Sie die Sonnenbräune und die hübsche Jacke gekriegt haben, stell ich mir vor. Wenn das nicht klappt, könnten Sie ihn in den Club einladen und ihm ein paar Asse zuteilen, die Sie nach unten gemischt haben.»
« Könnte ich, wenn ich so gut wäre, bin ich aber nicht.» «Das ist schade.»
Sie schwieg einen Augenblick und dachte nach. «Vielleicht könnten Sie ihn überreden, sich mit weniger zu begnügen. Schließlich scheinen Sie ziemlich gut Russisch zu sprechen.» «Vielleicht », räumte ich ein.
«Ich nehme an, es hätte nicht viel Zweck, vor Gericht zu gehen, um meine Unschuld zu beweisen, wie? »
«Bei den Iwans?» Ich lachte rauh. «Da können Sie sich ebensogut an die Göttin Kali wenden.»
«Nein, ich denke nicht.»
Wir überquerten eine oder zwei Seitenstraßen und blieben vor einem Mietshaus stehen, das in der Nähe eines kleinen Parks lag. «Möchten Sie auf einen Drink mit reinkommen ? » fragte sie und kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüs sel. «Ich weiß, daß ich einen gebrauchen könnte.»
«Ich könnte einen aus dem Teppich lutschen», sagte ich und folgte ihr durch die Tür in eine heimelige, gediegen ein gerichtete Wohnung.
Die Tatsache war nicht zu leugnen, daß Lotte Hartmann attraktiv war. Manche Frauen schaute man an und schätzte ab, mit welch bescheidener Zeitspanne man sich gern zufrie dengeben würde. Im allgemeinen ist es so, daß, je besser das Mädchen aussieht, man sich sagt, auch eine kürzere Zeit wäre ausreichend. Andererseits mußte sich eine wirklich at traktive Frau vielleicht auf eine Vielzahl ähnlicher Wünsche einstellen. Lotte gehörte zu jenen Mädchen, von denen man sich hätte überreden lassen, mit fünf erotischen, schranken losen Minuten zufrieden zu sein. Sie brauchte dir bloß fünf Minuten zu geben, dich und deine Phantasien tun zu lassen, was sie wollten. Nicht zuviel verlangt, würden Sie sagen.
Trotzdem, so wie
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