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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Lotte.
    Rustaweli schüttelte den Kopf. «Ich fürchte, Sie müssen bleiben, Fräulein. Der Arzt der Sittenpolizei wird in Kürze hier sein. Er wird Sie wegen Ihrer Arbeit im Oriental befra gen.»
    «Aber ich arbeite am Kartentisch », jammerte sie, «nicht
    auf dem Strich.»
    «Da haben wir andere Informationen.» « Welche? »
    «Ihr Name wurde uns von mehreren anderen Mädchen genannt.» - «Von welchen?»
    «Von Prostituierten, Fräulein. Möglicherweise müssen Sie
    sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen.» «Eine Untersuchung? Auf was? »
    «Auf Geschlechtskrankheit, natürlich.» «Geschlechtskrankheit ... ? »
    «Hauptmann Rustaweli», sagte ich, Lottes wütenden Aufschrei übertönend, «ich kann mich für diese Frau verbür gen. Ich würde nicht sagen, daß ich sie sehr gut kenne, aber ich kenne sie lange genug, um mit Bestimmtheit sagen zu können, daß sie keine Prostituierte ist.»
    «Nun ... » zögerte er.
    «Ich frage Sie: Sieht sie wie eine Prostituierte aus? » «Offen gesagt, bis jetzt habe ich noch kein österreichisches
    Mädchen gesehen, das keine war.» Er schloß seine Augen für eine Sekunde, dann schüttelte er den Kopf. «Ich kann nicht gegen die Vorschriften verstoßen. Es handelt sich um schwer wiegende Beschuldigungen. Viele russische Soldaten sind an gesteckt worden.»
    «Soweit ich mich erinnere, ist das Oriental, wo Fräulein Hartmann verhaftet wurde, für Angehörige der Roten Ar mee verboten. Ich hatte eher den Eindruck, daß Ihre Männer lieber ins Moulin Rouge in der Walfischgasse gehen.»

    Rustaweli schürzte die Lippen und zuckte die Achseln. «Das stimmt. Aber trotzdem ... "
    «Sollten wir uns noch einmal wiedersehen, Herr Haupt mann, könnten wir vielleicht die Möglichkeit erörtern, daß ich die Rote Armee für alle Unannehmlichkeiten entschä dige, die ihr durch einen Verstoß gegen die Vorschriften ent stehen könnten. Bis dahin können Sie sich vielleicht damit zufriedengeben, daß ich mich persönlich für den tadellosen Charakter von Fräulein Hartmann verbürge?»
    Rustaweli kratzte sich nachdenklich die Bartstoppeln. «Na schön », sagte er, «Sie bürgen mir persönlich dafür. Vergessen Sie aber nicht, daß ich Ihre Adresse habe. Sie können jederzeit wieder verhaftet werden.» Er wandte sich an Lotte Hart mann und sagte ihr, sie könne ebenfalls gehen.
    «Gott sei Dank», hauchte sie und sprang auf.
    Rustaweli nickte dem Feldwebel zu, der auf der anderen Seite der schmutzigen Glastür Wache stand, und befahl ihm, uns aus dem Gebäude zu führen. Dann schlug er die Hacken zusammen und entschuldigte sich für «das Versehen», nicht nur um seinen Feldwebel, sondern auch Lotte Hartmann zu beeindrucken. Sie und ich folgten ihm die große Treppe hin unter, unsere Schritte schallten bis zu den verzierten Rand leisten der Decke, durch die gewölbten Glastüren auf die Straße, wo er sich über das Pflaster beugte und ausgiebig in den Rinnstein spuckte.
    «Ein Versprechen, wie?" stieß er mit einem bitteren La chen hervor. «Sie können darauf wetten, daß ich's sein werde, dem man die Schuld geben wird."
    «Ich hoffe nicht", sagte ich, doch der Mann zuckte nur die Achseln, rückte seine Fellmütze zurecht und schlurfte müde ins Hauptquartier zurück.
    «Ich schätze, ich muß mich bei Ihnen bedanken», sagte Lotte und stellte den Kragen ihrer Jacke hoch.
    «Vergessen Sie's", sagte ich und setzte mich in Richtung auf den Ring in Bewegung.
    Sie zögerte kurz und trippelte mir dann nach. «Warten Sie einen Augenblick», sagte sie.
    Ich blieb stehen und sah ihr ins Gesicht. Von vorn gesehen war ihr Gesicht attraktiver als im Profil, da die Länge ihrer Nase weniger auffiel. Und kalt war sie schon gar nicht. In diesem Punkt hatte sich Belinsky geirrt und Zynismus mit allgemeiner Gleichgültigkeit verwechselt. Tatsächlich schien sie mir mehr dazu zu neigen, Männer zu verführen, obgleich mir ein Abend im Casino bewiesen hatte, daß sie vermutlich eine jener unbefriedigten Frauen war, die Intimität in Aus sicht stellten, nur um sich in einem späteren Stadium zurück zuziehen. «Ja? Was ist? »
    «Hören Sie mal, Sie sind bereits sehr freundlich gewesen», sagte sie, «aber würde es Ihnen etwas ausmachen, mich nach Hause zu begleiten? Es ist sehr spät für ein anständiges Mäd chen, auf der Straße zu sein, und ich zweifle, ob ich um diese Zeit noch ein Taxi finde.»
    Ich zuckte die Achseln und sah auf meine Uhr. «Wo woh nen Sie?»
    «Es ist nicht mehr weit.

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