Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
darüber sagen, warum man Sie verhaftet hat, außer daß es wegen Schwarz handel ist», entschuldigte er sich. «Sie werden mehr erfah ren, wenn wir in der Kärntner Straße sind. Wir werden es zusammen herausfinden, wie? Alles, worüber ich Ihnen was erzählen kann, ist, wie es abläuft. Mein Hauptmann füllt ein Festnahmeformular aus, in zweifacher Ausfertigung - von allem gibt's ein Duplikat -, und überläßt beide Formulare der österreichischen Polizei. Die schickt eins davon an den Offizier für Öffentliche Sicherheit der Militärregierung. Wenn man Sie vor ein Militärgericht bringen will, wird von meinem Hauptmann ein Aktenblatt angelegt; und will man Sie vor ein österreichisches Gericht bringen, wird die hiesige Polizei entsprechend unterrichtet.» Der Unteroffizier run zelte die Stirn. «Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, mit Schwarzmarkt-Delikten ärgern wir uns in diesen Zeiten nicht lange rum. Oder mit Angelegenheiten der Sitte. Im all gemeinen sind wir hinter Schmugglern her oder illegalen Ein wanderern. Diese drei anderen Schweinehunde denken, ich wäre verrückt geworden, das kann ich Ihnen sagen. Aber ich habe meine Befehle.»
Ich lächelte mitfühlend und sagte, wie sehr ich es zu schät zen wisse, daß er mir das erklärt habe. Ich dachte daran, ihm eine Zigarette anzubieten, als die Tür des Wagens aufging und der französische Polizist einer sehr bleich aussehenden Lotte Hartmann half, auf den Sitz neben mir zu klettern. Dann folgten der Franzose und der Engländer und verriegel ten die Tür von innen. Der Geruch ihres Angstschweißes war nur unwesentlich schwächer als der widerliche Duft ihres Parfüms.
«Wohin bringen die uns?» flüsterte sie mir zu.
Ich sagte ihr, wir führen in die Kärntner Straße. «Sprechen nicht erlaubt», sagte der englische MP In schlechtem Deutsch. «Gefangene müssen schweigen, bis wir im Hauptquartier sind."
Ich lächelte still vor mich hin. Die Sprache der Bürokratie war die einzige zweite Sprache, die ein Engländer je gut spre chen würde.
Das Hauptquartier der IP war in einem alten Palast, nur einen Steinwurf von der Staatsoper entfernt. Der Lastwagen fuhr vor, und wir wurden durch riesige Glastüren in eine Ba rockhaUe geführt, wo eine Ansammlung von Atlanten und Karyatiden von der allgegenwärtigen Kunst der Wiener Bild hauer zeugten. Wir stiegen eine Treppe hinauf, die so breit war wie ein Bahndamm, vorbei an Deckelvasen und an Bü sten vergessener Aristokraten, durch eine Flügeltür, höher als die Beine eines Zirkusclowns, und kamen in einen Gebäu deteil mit Büros, die an den Vorderseiten verglast waren. Der russische Unteroffizier öffnete die Tür eines der Büros, schob uns hinein und sagte, wir sollten warten. «Was hat er ge sagt?" fragte Fräulein Hartmann, als er die Tür hinter sich schloß.
« Er sagte, wir sollen warten." Ich setzte mich, zündete mir eine Zigarette an und blickte mich im Raum um. Da standen ein Tisch, eine Gruppe von vier Stühlen, und an der Wand hing eine große hölzerne Anschlagtafel, wie man sie an der Außenmauer von Kirchen sehen kann. Nur daß diese mit Kreide in Spalten mit Nummern und Namen aufgeteilt war, die die Überschriften «Gesuchte Personen ", «Vermißte ", «Gestohlene Fahrzeuge ", «Eilige Nachrichten ", «Befehle, Teil I" und «Befehle, Teil 11" hatten. In der Spalte «Gesuchte Personen" tauchten mein Name und der von Lotte Hart mann auf. Belinskys Lieblingsrusse hatte dafür gesorgt, daß alles sehr überzeugend aussah.
«Haben Sie eine Ahnung, was das alles bedeuten soll?" fragte sie zitternd. - «Nein", log ich. «Sie etwa? "
« Nein, natürlich nicht. Es muß sich um eine Verwechslung handeln." - «Offenbar."
«Sie scheinen mir nicht allzu besorgt zu sein. Oder begrei fen Sie einfach nicht, daß es die Russen sind, auf deren Befehl wir hergebracht wurden.»
«Sprechen Sie Russisch? »
«Natürlich nicht», sagte sie ungeduldig. «Der amerikani sche MP, der mich verhaftete, sagte, es wäre ein russischer Befehl, und er hätte damit nichts zu tun.»
«Nun ja, die Iwans haben diesen Monat den Vorsitz»,
sagte ich nachdenklich. «Was sagte der Franzose? »
«Nichts. Er guckte mir bloß dauernd auf den Busen.» «Na klar.» Ich lächelte sie an. «Er ist einen Blick wert.» Sie warf mir ein sarkastisches Lächeln zu. «Ja, ja, ich glaube aber nicht, daß sie mich bloß deshalb hergebracht ha ben, um zu sehen, wieviel Holz ich vor der Hütte habe, oder?» In ihrer Stimme lag Abscheu,
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