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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Sie bloß acht, auf wen Sie schießen», sagte ich und machte mich auf den Weg.
    Auf der anderen Seite des Hauses angekommen, öffnete ich die Tür zur Praxis und knipste, nachdem ich die Tür ge räuschlos wieder hinter mir geschlossen hatte, die Taschen lampe an. Ich richtete den Strahl auf den Linoleumboden und weg von den Fenstern, für den Fall, daß ein neugieriger Nachbar zufällig das Haus im Auge hatte.
    Ich befand mich in einem kleinen Empfangs- und Warte raum mit vielen Topfpflanzen und einem Aquarium mit Schildkröten: Mal was anderes als Goldfische, dachte ich, und eingedenk der Tatsache, daß ihr Besitzer nun tot war, streute ich ein wenig von dem übelriechenden Zeug, das sie fraßen, auf die Oberfläche ihres Wassers.
    Das war meine zweite gute Tat an diesem Tag. Mildtätig keit wurde bei mir beinahe zur Gewohnheit.
    Hinter dem Empfangsschalter schlug ich das Termin-Buch auf und richtete den Lichtstrahl auf die Seiten. Es sah nicht so aus, als würden sich die Patienten die Türklinke in die Hand geben, immer vorausgesetzt, er hatte überhaupt wel che. Heutzutage hatte kaum jemand Geld übrig, um es zum Zahnarzt zu tragen, und ich zweifelte nicht, daß Heim weit aus mehr verdient hätte, wenn er auf dem schwarzen Markt Drogen verkauft hätte. Als ich die letzten Seiten überflog, konnte ich sehen, daß er in einer Woche im Durchschnitt nicht mehr als zwei oder drei Termine hatte. Als ich im Buch einige Monate zurückblätterte, stieß ich auf zwei Namen, die ich kannte: Max Abs und Helmut König. Beide waren, im Abstand von nur wenigen Tagen, für vollständige Extraktio nen vorgemerkt. Ich fand haufenweise andere Namen, die für vollständige Extraktionen eingetragen waren, doch kei ner war mir bekannt.
    Ich ging zu den Aktenschränken und fand sie größtenteils leer, mit Ausnahme eines Schrankes, der ausschließlich Kar teien über Patienten enthielt, die vor 1940 behandelt worden waren. Der Schrank sah nicht so aus, als sei er seitdem geöff net worden, was mir sonderbar vorkam, da Zahnärzte in sol chen Dingen sehr gewissenhaft zu sein pflegen. Und in der Tat hatte Heim die Akten seiner Patienten vor 1940 peni bel geführt und für jeden von ihnen genaue Zahnbilder an gelegt.
    War er ganz einfach schlampig geworden, fragte ich mich, oder hatte ihn eine ungenügende Auslastung der Praxis ver anlaßt, diese sorgfältige Führung der Akten als nicht mehr lohnend einzustellen? Und warum in der letzten Zeit so viele vollständige Extraktionen? Zwar war eine Vielzahl von Menschen mit kaputten Zähnen aus dem Krieg gekommen, so wie auch ich. In meinem Fall war das die Folge des Hun gerjahres in sowjetischer Gefangenschaft. Aber trotzdem hatte ich es geschafft, vollständigen Ersatz zu bekommen. Und so wie mich gab es viele andere. Warum hatte es König dann nötig, der mir, wie ich erinnerte, von seinen guten Zäh nen erzählt hatte, sich alle ziehen zu lassen? Oder meinte er einfach, seine Zähne seien gut gewesen, bevor sie schlecht wurden? Wenn das schon für Conan Doyle nicht reichte, eine Kurzgeschichte daraus zu machen, dann stellte es mich mit Sicherheit vor ein Rätsel. Die Praxis selbst sah aus wie alle anderen, die ich kannte. Vielleicht ein bißchen schmutzi ger, aber schließlich war nichts mehr so sauber, wie es vor dem Krieg gewesen war. Neben dem schwarzen Leder-Be handlungs stuhl stand eine Stahlflasche mit Narkosegas. Ich drehte den Hahn am Flaschenhals auf, hörte ein zischendes Geräusch und drehte ihn wieder zu. Alles sah betriebsbereit aus.
    Hinter einer verschlossenen Tür war ein kleiner Lagerraum, und dort fand mich Belinsky. «Was zu finden?» fragte er.
    Ich erzählte ihm von den verschwundenen Akten.
    «Sie haben recht», sagte Belinsky lächelnd, «das kommt mir überhaupt nicht deutsch vor.»
    Ich ließ den Strahl der Taschenlampe über die Regale des Lagerraums wandern.
    «Hallo», sagte er, «was haben wir denn da?» Er streckte die Hand aus, um einen Stahl zylinder zu berühren, auf des sen Seite in gelben Buchstaben die chemische Formel H z So 4 gemalt war.
    «Das würde ich nicht tun, wenn ich Sie wäre», sagte ich. «Das Zeug ist nicht aus dem Chemiebaukasten eines Schul jungen. Wenn ich mich nicht sehr irre, ist es Schwefelsäure.» Ich richtete den Strahl auf die andere Seite des Zylinders, die zusätzlich die Aufschrift HÖCHSTE VORSICHT trug. «Das reicht, um Sie in ein paar Liter Fett zu verwandeln.»
    «Koscher, hoffe ich», sagte Belinsky. «Was will ein Zahn

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