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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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steckte. Die Leute kannte, mit denen er sich einließ.»
    « Sie wissen, daß das nicht wahr ist. Becker war kein Chor knabe, das ist sicher. Aber nach allem, was Sie mir von ihr er zählt haben, wette ich, daß sie das wußte. Es gibt nicht mehr viel Unschuld. Nicht in Wien.»
    Ich seufzte und rieb mir erschöpft den Nacken. «Vielleicht haben Sie recht», gab ich zu. «Vielleicht liegt es bloß an mir. Ich bin es gewohnt, daß die Dinge ein bißchen klarer sind als diese hier. Ein Klient kam rein, bezahlte mein Honorar und ich setzte mich in die Richtung in Bewegung, die mir erfolg versprechend schien. Manchmal gelang es mir sogar, einen Fall zu lösen. Das ist ein ziemlich gutes Gefühl, müssen Sie wissen. Aber im Augenblick kommt es mir so vor, als stün den mir zu viele Leute auf den Füßen und sagten mir, wie ich zu arbeiten hätte. Als ob ich meine Unabhängigkeit ver loren hätte. Ich habe aufgehört, mich als Privatdetektiv zu fühlen.»
    Belinsky wiegte den Kopf auf seinen Schultern wie ein Mann, dem die Erklärungen ausgegangen sind. Trotzdem machte er noch einen Versuch. « Na, kommen Sie, Sie haben doch sicher schon früher verdeckt gearbeitet.»
    « Sicher», sagte ich. « Nur war mir da der Zweck klarer. Ich kriegte wenigstens ein Verbrecherfoto zu sehen. Ich wußte, was recht war. Aber das hier ist alles andere als durchschau bar, und es fängt an, mir unter die Haut zu gehen.»
    « Nichts ist mehr so, wie es war, Kraut. Der Krieg hat alles verändert, für jeden, Privatdetektive eingeschlossen. Aber wenn Sie Verbrecherfotos sehen wollen, ich kann Ihnen Hun derte zeigen. Tausende wahrscheinlich. Kriegsverbrecher, alle, wie sie da sind.»
    « Fotos von Krauts? Hören Sie, Belinsky, Sie sind Ameri kaner und Sie sind Jude. Es ist für Sie ein Stück einfacher, hier zu erkennen, was recht ist. Ich? Ich bin Deutscher. Einen kurzen schmutzigen Augenblick lang war ich sogar in der SS. Wenn ich einen von Ihren Kriegsverbrechern träfe, würde er mi'r wahrscheinlich die Hand schütteln und mich einen alten Kameraden nennen.»
    Er wußte nichts darauf zu antworten.
    Ich nahm mir eine Zigarette und rauchte schweigend. Als ich sie aufgeraucht hatte, schüttelte ich trübsinnig den Kopf.
    « Vielleicht liegt es bloß an Wien. Vielleicht liegt es daran, daß ich so lange von zu Hause weg bin. Meine Frau hat mir geschrieben. Wir kamen nicht allzu gut miteinander aus, als ich Berlin verließ. Ehrlich gesagt, ich konnte es gar nicht er warten wegzukommen, und darum habe ich gegen mein bes seres Wissen diesen Fall übernommen. Sie schreibt jedenfalls, sie hofft, wir könnten noch mal von vorne anfangen. Und wissen Sie was, ich kann's gar nicht erwarten, zu ihr zurück zukehren und es zu versuchen. Vielleicht ... » Ich schüttelte den Kopf. «Vielleicht brauche ich einen Drink.»
    Belinsky grinste begeistert. « Endlich sagen Sie mal was Vernünftiges, Kraut», sagte er. «Eines habe ich in diesem Job gelernt: Wenn du Zweifel hast, leg sie in Alkohol ein.»

    27
    Es war spät, als wir von der Melodie-Bar, einem Nachtclub im 1. Bezirk, wegfuhren. Belinsky hielt vor meiner Pension, als sich eine Frau rasch aus dem Schatten eines nahen Tür eingangs löste. Es war Veronika Zartl. Ich lächelte sie ver kniffen an, denn ich hatte viel zuviel getrunken, um Lust auf Gesellschaft zu haben.
    «Gott sei Dank, daß du kommst», sagte sie. «Ich warte seit Stunden.» Dann zuckte sie zusammen, als wir durch die geöffnete Wagentür Belinsky eine obszöne Bemerkung ma chen hörten.
    «Was ist los?» fragte ich sie.
    «Ich brauche deine Hilfe. Da ist ein Mann in meinem Zimmer.»
    «Was ist daran neu?» fragte Belinsky.
    Veronika biß sich auf die Lippe. «Er ist tot, Berni. Du mußt mir helfen.»
    «Ich bin nicht sicher, was ich tun kann », sagte ich unsi cher und wünschte, ich wäre länger in der Bar geblieben. Ich sagte zu mir selbst: In dieser Zeit sollte ein Mädchen nieman dem trauen. Zu ihr sagte ich: «Du weißt, das ist wirklich Sache der Polizei.»
    «Ich kann nicht zur Polizei gehen», stöhnte sie ungedul dig. «Das würde bedeuten, daß die Sitte anrückt, die öster reichische Kriminalpolizei, Beamte vom Gesundheitsamt, daß es eine Untersuchung gibt. Vermutlich würde ich mein Zimmer verlieren, alles. Begreifst du das nicht? »
    «Schon gut, schon gut. Was ist passiert? »
    «Ich glaube, er hatte einen Herzanfall.» Sie ließ den Kopf hängen. «Tut mir leid, dich zu belästigen, aber ich kenne sonst niemanden, an

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