Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
nach dem Krieg verdammt nütz lieh», sagte er. «Sie war die beste Methode, die wir hatten, die Identität einer Leiche festzustellen. Natürlich gab es viele Nazis, die scharf darauf waren, daß wir glaubten, sie seien tot. Und sie nahmen eine Menge Ärger auf sich, uns davon zu überzeugen. Halbverkohlte Leichen mit falschen Papieren. Sie kennen das ja. Nun, natürlich ließen wir als erstes einen Zahnarzt die Zähne der Leiche untersuchen. Selbst wenn man nicht über das Krankenblatt eines Menschen verfügt, kann man zumindest sein Alter aus seinen Zähnen bestim men: Parodontose, Wurzelresorption und so weiter - man kann mit Sicherheit sagen, daß die Leiche nicht die ist, die sie angeblich sein soll.»
    Belinsky hielt inne und blickte sich in der Praxis um. «Sind Sie hier fertig? »
    Ich bejahte und fragte, ob er im Haus etwas gefunden hätte. Er schüttelte den Kopf und verneinte. Darauf meinte ich, daß wir jetzt besser verschwinden sollten.
    Als wir ins Auto stiegen, erzählte er weiter:
    «Nehmen Sie den Fall Heinrich Müller, Chef der Gestapo.
    Er wurde lebend zum letztenmal im April 1945 in Hitlers Bunker gesehen. Müller soll angeblich während der Schlacht um Berlin im Mai 1945 ums Leben gekommen sein. Als je doch nach dem Krieg seine Leiche exhumiert wurde, konnte ein Experte, spezialisiert auf Kieferchirurgie, an einem Berli ner Krankenhaus im britischen Sektor die Zähne der Leiche nicht als die eines vierundvierzigjährigen Mannes identifizie ren. Er hielt es für wahrscheinlicher, daß es sich um die Lei che eines Mannes handelte, der nicht älter als fünfundzwan zig war.» Belinsky betätigte die Zündung, ließ den Motor einmal oder zweimal aufheulen und legte dann krachend den Gang ein. Über das Lenkrad gekrümmt, fuhr er schlecht für einen Amerikaner, schaltete mit Zwischengas, fuhr im fal schen Gang und übersteuerte im allgemeinen. Mir war klar, daß das Fahren seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte, doch er setzte seine Ausführung fort, selbst nachdem wir um ein Haar einen entgegenkommenden Motorradfahrer über fahren hatten.
    «Wenn wir ein paar von diesen Schweinehunden erwi schen, haben sie falsche Papiere, neue Frisuren, Schnurr bärte, Bärte, B:illen, was sie wollen. Aber Zähne sind so gut wie eine Tätowierung oder manchmal wie ein Fingerab druck. Wenn also einige von ihnen sich alle Zähne haben zie hen lassen, entfällt eine weitere Möglichkeit der Identifizie rung. Schließlich würde ein Mann, der eine Patrone unter sei nem Arm explodieren läßt, um seine SS-Nummer zu entfernen, vermutlich nicht davor zurückschrecken, falsche Zähne zu tragen, oder? »
    Ich dachte an die Brandwunde unter meinem eigenen Arm und kam zu dem Schluß, daß er wahrscheinlich recht hatte. Um meine Identität vor den Russen zu verbergen, hätte ich gewiß auch meine Zähne geopfert, vorausgesetzt, ich hätte die Möglichkeit zur schmerzlosen Extraktion gehabt wie Max Abs und Helmut König.
    «Nein, ich schätze nicht.»
    «Sie können Ihr Leben darauf wetten. Und darum habe ich Heims Terminbuch mitgehen lassen.» Er klopfte auf die Brusttasche seines Mantels, wo er es, wie ich vermutete, auf bewahrte. «Es könnte interessant sein, herauszufinden, wer die Männer mit den schlechten Zähnen wirklich sind. Ihr Freund König zum Beispiel. Und auch Max Abs. Ich meine, warum sollte ein kleiner SS-Chauffeur es für nötig halten, zu verstecken, was er im Mund hatte? Es sei denn, er war über haupt kein SS-Unteroffizier.» Bei diesem Gedanken wieherte Belinsky begeistert. «Darum muß ich im Dunkeln sehen kön nen. Einige Ihrer alten Kameraden verstehen sich wirklich gut darauf, Spuren zu verwischen. Wissen Sie, ich wäre über haupt nicht überrascht, wenn wir einige dieser Nazi Schweine immer noch jagen, wenn ihre Kinder ihnen bereits die Schuhe zubinden müssen.»
    «Trotzdem», sagte ich, «je länger es dauert, bis ihr sie fangt, desto schwieriger wird es sein, eine positive Identifizie rung zu erreichen.»
    «Machen Sie sich keine Sorgen», fauchte er rachsüchtig. «Es wird nicht an Zeugen mangeln, die bereit sind, aufzutre ten und gegen diese Scheißkerle auszusagen. Oder denken Sie vielleicht, Leute wie Müller und Globocnik sollten ungescho ren davonkommen? »
    «Wer ist Globocnik, wobei hat er mitgemacht? »
    «Odilo Globocnik. Er war der Kopf der Operation Rein hard, die die meisten der großen Todeslager in Polen eingerichtet hat. Noch einer, der angeblich' 45 Selbstmord began gen haben

Weitere Kostenlose Bücher