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Bernie und Chet

Titel: Bernie und Chet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer Quinn
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Heckfenster sah ich, wie Boris plötzlich den Kopf drehte, und der Pick-up wurde langsamer. Ich duckte mich, völlig reglos, nur ein weiterer Schatten. Der Pick-up nahm erneut Fahrt auf. Ich hob den Kopf, sah, dass Boris wieder nach vorne blickte. Wir fuhren durch die stille Stadt. Aus meiner Perspektive, von ziemlich weit unten, sah ich die Dächer der Häuser und darüber den Sternenhimmel, ein paar rasch darüberziehende Wolken, fein wie ein Schleier. Dann auf einmal keine Häuser mehr: Wir verließen Sierra Verde, fuhren die Bergstraße hinunter in die Wüste, die bis nach New Mexico reichte.
    Ich lag auf einer Abdeckplane, mit dem Rücken gegen irgendein zusammengerolltes Seil. Ich roch Benzin und Schießpulver, und ganz schwach meine zweitliebste Mischung: Äpfel, Bourbon, plus ein Hauch Salz und Pfeffer, der sie ein bisschen nach mir riechen ließ. Bernie war hier gewesen, auf dieser Ladefläche! Wenn ich und meinesgleichen wissen, dass wir auf der richtigen Spur sind, dann überkommt uns ein ganz bestimmtes Gefühl, eine Art unterdrückte Aufregung. Genau das spürte ich in diesem Moment; der Teil mit dem Unterdrücken ließ womöglich noch etwas auf sich warten.
    Ich wusste, dass wir uns auf der unbefestigten Straße befanden, die mit den vielen Schlaglöchern, auf der Bernie über die alten Zeiten und Kit Carson und andere Bernie-Sachen, an die ich mich gerade nicht erinnerte, nachgedacht hatte. Ich ließ Boris ’ Kopf hinter dem schmalen Fenster nicht aus den Augen, ein großer Kopf, selbst für einen so breiten Nacken zu groß. Die Scheinwerfer erfassten im Vorbeifahren das eine oder andere, das ich wiedererkannte – ein hoher Kaktus, der mit seinen zwei Armen wie ein Riese aussah, Dornenbüsche, die ich markiert hatte, ein flacher Stein, der auf einem runden Stein lag. Später kamen das ausgetrocknete Flussbett, der niedrige Hügel, die halb verfallene Hütte und die Spur, die ins Nichts geführt hatte. Boris hielt bei den Überbleibseln von dem Lagerfeuer der Motorradfahrer und stieg aus. Ich lag flach da, vielleicht nicht ganz so flach, wie ich gekonnt hätte, da mein Kopf über den Rand der Heckklappe schaute, aber ich musste schließlich etwas sehen, oder nicht?
    Boris ging zu der Feuerstelle, trat ein-, zweimal gegen eine Bierdose und pfiff dazu eine hässliche Melodie. Dann folgten das Geräusch eines Reißverschlusses und leises Plätschern. Männer waren in solchen Momenten verletzlich. Ich hätte ihn leicht zu Boden werfen können, kein Problem. Aber dann? Ich wusste es nicht. Boris zog den Reißverschluss hoch, und der Moment war vorbei. Er sah auf, sein Blick ruhte plötzlich auf mir! Und dann wanderte er weiter; seine Augen waren nachts – wie die von jedem Menschen, dem ich bislang begegnet war – praktisch unbrauchbar. Manchmal taten mir die Menschen leid mit ihren offensichtlichen Mängeln, aber Boris nicht. Boris war schlecht, und bald würde er drüben im Staatsgefängnis wohnen, einen orangefarbenen Overall anhaben und unter der heißen Sonne Steine klopfen.
    Boris klemmte sich wieder hinters Lenkrad, nach wie vor pfeifend. Nicht mehr lange, und du hörst auf zu pfeifen, Freundchen. Genau von dieser Stelle aus waren Bernie und ich ohne irgendeine Spur, der wir folgen konnten, zu Fuß in Richtung jener fernen Berge, damals rosafarben, jetzt unsichtbar, aufgebrochen. Boris nahm einen anderen Weg; er fuhr in einem großen Bogen an dem Lagerplatz vorbei auf einen Haufen Felsen zu, der Wüstenboden war steinig und uneben. Wir holperten dahin, Boris drehte das Lenkrad erst auf die eine und dann auf die andere Seite, die Muskeln an seinem fleischigen Nacken traten hervor. Das Holpern wurde immer schlimmer, der Pick-up hüpfte auf und ab. Ich rutschte von der Abdeckplane und polterte gegen eine Seite der Ladefläche. Boris hatte schon den Kopf gedreht, um zurückzusehen, da fuhren wir in ein noch größeres Loch, und der ganze Pick-up schien vom Boden abzuheben. Er kämpfte mit dem Lenkrad. Ich sprang auf, schlitterte in die Gegenrichtung, hechelte. Bernies Geruch umgab mich. Ich beruhigte mich; es dauerte nicht lange, und die Schlaglöcher hörten plötzlich auf. Ich streckte meinen Kopf zur Seite raus und spähte nach vorne, sah, dass wir uns auf einer langen und geraden Piste befanden. In nicht allzu großer Ferne erhoben sich die Berge, die rosafarben gewesen waren, als Bernie und ich sie das letzte Mal gesehen hatten, sich jetzt aber als dunkles Band gegen einen nicht mehr ganz so

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