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Bernie und Chet

Titel: Bernie und Chet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer Quinn
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sogar ein bisschen tiefer. Ich wollte ihm gerade das Gesicht lecken, als ich die Blutergüsse und Wunden sah. Bernie blickte an mir vorbei zum Eingang der Mine. »B ist du etwa allein unterwegs? Wie kann das sein?«
    Eine komplizierte Geschichte, ich konnte mich offen gestanden an den größten Teil davon gar nicht mehr erinnern. Ich wedelte mit dem Schwanz.
    Bernie lächelte; nur einen Moment lang, aber ich sah, dass einer seiner Vorderzähne abgebrochen war. »H ol lieber Hilfe, Chet«, sagte er. »W ir haben nicht viel Zeit.«
    Ich bewegte mich nicht.
    »N ur wie, richtig?«, meinte Bernie. »F ragst du dich das gerade? Du bist mir einfach einen Schritt voraus.«
    Unmöglich. Niemand war schlauer als Bernie. Und selbst wenn ich gewusst hätte, wo ich Hilfe hätte holen können, hätte ich ihn nie im Leben hier allein gelassen. Daran dachte ich und an sonst nichts. Ich lief um den Balken herum, besah mir das Seil, mit dem Bernies Arme gefesselt waren – weit unten, an den Handgelenken –, und fing an zu nagen.
    Ich habe schon viel in meinem Leben zernagt – da war beispielsweise die Handtasche von Leda gewesen, echtes Leder, obwohl sie grün war, und nicht irgendein Leder, sondern italienisches Leder. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass es so etwas überhaupt gab. Es hatte sich aber als das schmackhafteste Leder erwiesen, das ich jemals zwischen die Zähne bekommen hatte. Nicht zu vergessen all die anderen Sachen – Kleidung, Möbel, Spielzeug, Gartenwerkzeuge –, die ich schon in frühester Jugend zernagt hatte. Daher sollte so ein schlichtes altes Seil, selbst wenn es so wie das hier recht dick war, kein Problem darstellen. Habe ich die Schärfe meiner Zähne erwähnt? Wie Dolche und nicht viel kleiner.
    Ich arbeitete schnell, bohrte meine Zähne zwischen die Stränge, rupfte und kaute, nahm mir kaum die Zeit zu genießen. Das Seil gab bald nach, Fasern rissen und verteilten sich in meinem Maul. Von Zeit zu Zeit drückte Bernie seine Handgelenke auseinander, einmal so fest, dass der Balken laut krachte. Es war erfreulich, wie viel Kraft er hatte, aber er stellte keine große Hilfe dar, sondern hielt mich im Grunde nur auf. Ein dicker Strang riss, dann noch einer. Das Seil wurde schlaffer. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Und dann – aufgepasst! Ich grub einen Zahn tief in das, was von dem Seil übrig war, zog daran, während ich gleichzeitig den Kopf heftig hin und her bewegte, immer …
    »C het.« Bernie sprach ganz leise. »V erzieh dich.«
    Ich hielt inne, sah zwei Gestalten am Eingang der Mine. Die eine war die große Frau namens Olga, sie trug eine Wasserflasche in der Hand und hatte die Haare zu einem Knoten gebunden. Ich hatte sie schon einmal gesehen, als sie Madison von dem Scheunenfenster weggezogen hatte. Die andere war Harold, der Fahrer, dessen eine dicke Augenbraue ihm etwas Äffisches verlieh. Laut Bernie stammten die Menschen von den Affen ab, während unsereins von den Wölfen abstammte: Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Harold trug eine Waffe, kleiner als unsere . 38 er Special; sie hing locker in seiner Hand. Ich zog mich in den Schatten zurück und verharrte dort reglos.
    Olga und Harold gingen auf Bernie zu. Ich konnte sehen, dass er seine Handgelenke bewegte, sie hin und her drehte. Das Seil faserte immer weiter aus, riss aber nicht. »N a, wie geht ’ s unserem Patienten heute Morgen?«, fragte Harold.
    Bernie sah zu ihm hoch, ohne etwas zu sagen.
    »P atient?«, fragte Olga. »W arum ›P atient‹?«
    »D as sagen wir nur so, aus Spaß«, sagte Harold.
    »W ir?«, fragte Olga.
    »H ier bei uns«, sagte Harold. »I n Amerika.«
    »W as ist daran lustig?«, fragte Olga. Sie schraubte den Deckel von der Wasserflasche und hielt sie Bernie an den Mund, wollte sie anheben. Er schüttelte den Kopf. Währenddessen kämpfte er weiter mit dem Seil; jetzt kämpften auch die Finger einer Hand mit. »T rinken Sie – Befehl von Mr Gulagow«, sagte Olga. »S ie müssen noch ein bisschen am Leben bleiben.«
    »I ch führe keine Befehle von Mr Gulagow aus«, sagte Bernie. Hinter seinem Rücken rutschten die letzten Reste des Seils von seinen Händen. Ich drückte mich auf den Boden, sammelte in meinen Hinterbeinen Kraft zum Springen.
    Harold trat vor, stand über Bernie, die Waffe immer noch locker in der Hand. »G ießen«, sagte er.
    Olga goss Wasser über Bernies Gesicht. Ich konnte es kaum mit ansehen.
    »T rinken, Blödmann«, sagte Harold.
    »E rst nach meiner

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