Bernie und Chet
Morgengymnastik«, sagte Bernie.
»H ä?«, fragte Harold.
In Bernies Rücken spannte sich ein Muskel an und dann schossen seine Arme nach vorne. Bernie war schnell, der schnellste Mensch, den ich kenne, nur heute vielleicht nicht, vielleicht nicht dieses Mal. Er schlug nach der Pistole, verfehlte sie. Olga riss die Augen auf. Sie ließ die Flasche fallen, stand einfach nur da, einen Moment lang wie erstarrt. Anders als Harold – der machte rasch einen Schritt zurück und hob die Pistole. Ich sprang.
Möglicherweise nicht zielgerichtet genug: Ich krachte gegen Olga, warf sie um, nahm aber mitten in der Luft eine Korrektur vor, drehte mich ein bisschen, und als ich auf dem Boden landete, riss ich das Maul auf und versenkte meine Zähne in Harolds Handgelenk. Er schrie auf. Die Pistole flog davon und landete zwischen den Gleisen. Olga kroch darauf zu. Ich sprang über sie weg, schnappte mir die Waffe, hielt schlitternd an, machte auf den Hinterpfoten kehrt und raste zu Bernie zurück. Er nahm mir die Pistole aus dem Maul, richtete sie zuerst auf Harold, dann auf Olga und wieder zurück auf Harold. »I ch will eigentlich niemanden umbringen«, sagte er. »A ber ich tu ’ s.« Das ließ sie erstarren. Mit seiner freien Hand löste Bernie das Würgehalsband an seinem Hals, nahm es ab und machte sich dann über das Seil um seine Fußknöchel her.
Bald darauf lag das Würgehalsband um Harolds Hals, und er fesselte Olga unter Bernies Aufsicht mit den Resten des Seils. »I ch blute«, sagte Harold.
»Z iehen Sie den Knoten ganz fest«, sagte Bernie.
Harold roch plötzlich nach Urin. Olga auch. Das gab mir ein gutes Gefühl. Als Olgas Hände und Füße gefesselt waren, machte Bernie das Würgehalsband von dem Haken los und band Harold damit an dem Balken fest. Das bedeutete, er musste die Waffe ablegen. Ich stellte mich direkt hinter Harold, vielleicht stupste ich ihn ein- oder zweimal an der Rückseite seines Beins. Er versuchte keine Tricks.
Bernie nahm die Waffe wieder auf. »K einen Pieps«, sagte er.
Wir warteten, wobei ich nicht genau wusste, worauf. Olga lag auf der Seite zwischen den Gleisen und beobachtete uns mit hasserfülltem Blick. Harold saß dort, wo Bernie gesessen hatte, gegen den Balken gelehnt, und wimmerte ein-, zweimal. Tja, Pech gehabt. Bernie und ich gingen um ihn herum und verzogen uns dorthin, wo es dunkel war. Bernie nahm die Wasserflasche, goss etwas von dem Rest Wasser für mich in einen Eimer und trank die Flasche dann aus. Bald darauf hörten wir eine Stimme.
»H arold? Olga?« Es war Boris. Bernie machte eine winzige Bewegung mit dem Finger, von einer Seite zur anderen. »H arold? Olga?« Jetzt konnten wir Boris sehen, der aus Richtung der Scheune auf uns zukam, ein Gewehr in der Hand. »H arold, du Trottel, wo du steckst?« Er erreichte den Eingang der Mine, sah herein. »H arold? Du da drin? Was …« Er hob das Gewehr, nahm es in beide Hände.
Bernie trat hinter dem Balken hervor. »F allen lassen«, sagte er. Aber Boris ließ das Gewehr nicht fallen, sondern zog stattdessen den Abzug. Eine Kugel prallte von der Felswand hinter uns ab und dann noch ein zweites Mal irgendwo tiefer im Schacht. Bernie feuerte, aus der Mündung kam ein Blitz – immer wieder aufregend, auch wenn Spielereien mit Waffen meiner Erfahrung nach zu den Dingen gehören, bei denen man schnell des Guten zu viel tat – und erhellte für einen Moment die Mine. Boris stöhnte vor Schmerz und stolperte, hielt sich das Bein. Er feuerte noch einmal, dieses Mal einhändig. Die Kugel schlug in den Balken ein, knapp über Harolds Kopf.
»O h Gott«, rief Harold.
Bernie feuerte noch einmal, traf Boris in die Schulter. Dieser wirbelte herum, ließ das Gewehr fallen, tastete danach. Bernie feuerte noch einmal, Erde spritzte zwischen dem Gewehr und Boris ’ Hand auf. Boris kroch weg, ließ das Gewehr liegen, stand auf und humpelte auf die Scheune zu. Ein paar Schritte davon entfernt stürzte er erneut und lag da, hob ein-, zweimal den Kopf zur Tür und rief etwas, Worte, die nicht bis zur Mine gelangten. Ich rannte los, holte das Gewehr – ein großes, aber es wog praktisch nichts – und brachte es Bernie. Jetzt hatte er in jeder Hand eine Waffe. Waren wir erst einmal so weit, ging es meistens gut für uns aus.
Stille. Dann drehte sich Olga, die noch immer zwischen den Gleisen lag, zu Harold und sagte: »D aran bist nur du schuld, weil du ihn nicht richtig gefesselt hast.«
»I ch, du dumme Kuh?«, entgegnete
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