Bernie und Chet
Innere, das in meinen Augen leer aussah. War das das Geheimnis eines Computers, dass er innen leer war? »D as Motherboard ist weg«, sagte Suzie. Egal, was das war, damit hatte ich nichts zu schaffen. »U nd mir fällt nur eins ein, was S. V. bedeuten könnte.« Ich wartete. »D iese Stadt, in der ich dich gefunden habe, Chet – Sierra Verde.« Ich wedelte mit dem Schwanz. Sierra Verde: das kannte ich. »S . V. – wofür sollte es sonst stehen?«
Da fragst du den Falschen, Schätzchen. Suzie griff nach ihren Autoschlüsseln. Ich war schon auf dem Weg zur Tür.
Kapitel 30
Wir fuhren durch die Nacht. Ich roch Kekse, erinnerte mich, dass Suzie immer eine ganze Schachtel davon in ihrem Auto hatte, aber ich wollte keinen. Ich hatte ein komisches Gefühl im Magen, wie zugeschnürt. Suzie beugte sich vor, ihre Hände umklammerten das Lenkrad. Ihr Gesicht wirkte im Scheinwerferlicht der entgegenkommenden Autos angespannt.
Sie sagte Sachen wie: »I ch glaube nicht an Schicksal.« Und: »W ie konnte ich Dylan nur wieder aufsitzen …?« Ich erinnerte mich an Dylan: Schönling, Knastbruder, Verlierertyp. Er hätte mich nie dazu bringen können, mich auf ihn zu setzen, und wenn er sich noch so viel Mühe gegeben hätte. Es war doch so, Menschen erwiesen sich nicht immer als die besten Menschenkenner. Wir, also ich und meinesgleichen, waren da viel besser. Ab und zu mal legte uns einer rein; einige Menschen hatten eine Menge Tricks parat, komischerweise wie Füchse, aber meistens hatten wir diese Typen mit dem ersten Schnüffeln durchschaut.
Nach einer Weile dünnte der Verkehr aus und Suzies Gesicht lag fast die ganze Zeit im Dunkeln. Wir verließen den Freeway, fuhren in die Berge, die Kurven wurden immer enger. Von Zeit zu Zeit kam uns ein Auto entgegen, und ich sah das Wasser in Suzies Augen. Ich legte eine Pfote auf ihr Knie. Sie tätschelte mich. »S pielt er wirklich Ukulele?«, fragte sie. »D as würde ich gern mal hören.« Die Straße war eine Weile leer. »I ch hoffe nur …« Sie verstummte. Ging es bei ihrer Hoffnung um die Ukulele oder um etwas anderes? Bernie spielte sie wirklich, früher jedenfalls, er kannte alle möglichen Lieder wie »U p a Lazy River«, »W hen It ’ s Sleepy Time Down South«, »J ambalaya« und mein Lieblingslied: »H ey, Bo Diddley«. Bernies Lieblingslied war »R ock the Casbah«. Ich machte meistens eine Pinkelpause, wenn das drohte.
»D as Seltsame dabei ist: Ich bin eigentlich ganz intelligent«, sagte Suzie. »Ü berdurchschnittlicher IQ, das Studium mit Auszeichnung abgeschlossen – wie kann ich da nur so blöd sein?« Ich konnte ihr nicht ganz folgen. »U nd mir hängt diese Widersprüchlichkeit echt zum Hals raus. Ich könnte kotzen.« Owei. Ich rückte von ihr ab, ein bisschen näher zur Tür.
Aber es kam nicht dazu, vielleicht hatte sich Suzies Magen wieder beruhigt. Das passierte manchmal – ich erinnere mich an einen kleinen Anchoviszwischenfall, der viel schlimmer hätte enden können, als er es tatsächlich tat. Die Nacht rauschte vorbei. Einmal sah ich ein Paar golden funkelnde Katzenaugen, nur viel größer. Das Fell auf meinem Rücken stellte sich auf. Ich wusste, was sich dort draußen herumtrieb.
»S timmt das – dass er ein harter Brocken ist?«, fragte Suzie. »I ch kenne solche Typen – aber die haben mich nie zum Lachen gebracht. Und sie spielen auch nicht Ukulele. Andererseits ist da diese Geschichte mit West Point, seine Kampferfahrung … O Gott.« Sie fing an, auf einem ihrer Knöchel herumzukauen, bei Menschen ein Zeichen größter Besorgnis; ich hatte da auch das eine oder andere im Repertoire. »W enn wir nur hinter die Fassade schauen könnten«, sagte sie. Ich mochte Suzie, auch wenn sie manchmal Unsinn redete. Hinter Fassaden schauen zum Beispiel: Wer wollte das schon? Hinter Fassaden riechen, das war etwas anderes, ein Riesenspaß. Und wenn ich mir dann noch vorstellte, dass dort, sagen wir mal, eine Wurst mutterseelenallein unterm Sofa lag, dann könnte ich … Ich verlor mich in meinen Gedanken und rollte mich eine Zeit lang auf meinem Sitz zusammen. Bernie war ein harter Brocken. Ich hatte ihn schon die tollsten Sachen tun sehen, wie das mit den Motorradfahrern. Bernie konnte nichts Schlimmes passieren. Meine Augen fielen zu.
Als ich aufwachte, waren wir auf der Hauptstraße von Sierra Verde. Die Bar mit dem Neon-Martiniglas flitzte vorbei, das Glas leuchtete, dahinter nichts als Dunkelheit, und es standen auch keine Stahlrösser davor.
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