Bernie und Chet
schleunigst von hier wegwollte. Ich übrigens auch. »I ch brauche die Informationen, über die wir schon geredet haben – Namen und Telefonnummern von all ihren Freunden, allen Leuten, die in ihrem Leben eine gewisse Bedeutung haben. Treibt sie irgendeinen Sport?«
»B ogenschießen.« Cynthia tupfte sich ihre Augen trocken. »S ie war Dritte beim Upper-Valley-Turnier.«
»W o ist ihr Bogen?«
Jetzt sprangen Cynthias Augenbrauen – zwei feine Striche, dunkler als die Haare auf ihrem Kopf – überrascht in die Höhe. Ich hatte schon öfter gesehen, dass Leute auf Fragen von Bernie so reagierten. Sie öffnete den Schrank. Der große schwarze Bogen hing an einem Haken, daneben ein Köcher voller Pfeile mit weißen Federn daran.
»V ergessen Sie nicht den Namen des Trainers und sämtlicher Mannschaftskameraden, mit denen sie näher zu tun hatte«, sagte Bernie.
Cynthia ging zum Schreibtisch, schrieb eine Liste. Bernie überflog sie.
»W o ist Damon?«
Sie nahm den Stift noch einmal in die Hand und kritzelte mit energischen Bewegungen etwas. »H ier.«
Bernie faltete den Zettel, steckte ihn in seine Tasche und stand auf.
»W ollen Sie kein Geld?« Das Make-up auf Cynthias Gesicht war verschmiert, schwarz und grün, wie eine gruselige Halloween-Maske, der allerschlimmste Feiertag der Menschen. Aus irgendeinem Grund fing ich an, sie zu mögen.
»D as fällt alles noch unter die fünfhundert«, sagte Bernie. »I ch lasse es Sie wissen, wenn ich mehr brauche.«
Oh, Bernie.
Wir fuhren zur North Valley Mall. Bernie kurvte eine halbe Ewigkeit herum, bis er schließlich einen freien Parkplatz fand. Er schimpfte leise vor sich hin. Bernie konnte Malls nicht leiden; er hasste Einkaufen jeder Art. Wir stiegen aus, gingen zum Eingang. Bernie blieb vor einem Schild stehen. Die Wörter konnte ich nicht lesen, aber da war auch ein Bild von meinesgleichen, das dick durchgestrichen war.
»O wei«, sagte Bernie.
Wir gingen zurück zum Auto. Bernie fuhr erneut herum, bis er endlich die einzige Stelle auf dem riesigen Parkplatz gefunden hatte, die sich im Schatten eines Baumes befand.
»B leib hier«, sagte er und tätschelte mich. »I ch bin so schnell wie möglich wieder da.«
Ich kochte innerlich, aber was sollte ich tun? Bernie konnte nichts dafür. Ich knurrte ein bisschen, dann beugte ich mich vor und nagte eine Weile an meiner Pfote, wodurch ich mich gleich ein bisschen besser fühlte. Draußen gingen Leute vorbei.
»G uck mal, Mom, der süße Hund da.«
»G eh nicht zu nah ran.«
»D arf ich ihn streicheln?«
»B ist du verrückt? Ich bin allergisch gegen Hundehaare.«
Ich mochte dieses Wort nicht.
»U nd schau nur, wie er das Maul aufreißt. Das bedeutet, er ist aggressiv. Beeil dich.«
Zunächst einmal riss ich nicht das Maul auf, sondern dehnte nur meinen Kiefer, was immer höchst entspannend war. Zweitens war ich nicht aggressiv. Sie musste mich mit Nilpferden verwechseln, hässliche Viecher, die ich mal auf dem Discovery Channel gesehen hatte und mit denen ich nichts zu tun haben wollte. Ich beobachtete den weit entfernten Eingang der Mall. Bernie kam nicht heraus. Ich legte mich hin. Ein Nickerchen? Warum nicht? Ich schloss die Augen.
Ich hatte einen guten Traum, der plötzlich umkippte und schlecht wurde. Ich schreckte hoch, und da, direkt neben dem Auto, stand ein riesiger Mann, größer und breiter als Bernie. Er hatte helle Haare, vielleicht sogar weiß, aber er war nicht alt, hatte keine Falten im Gesicht. Dieses Gesicht gefiel mir überhaupt nicht. Hatte was mit den breiten Wangenknochen und den winzigen Ohren zu tun. Dann stand ich auch schon auf dem Sitz und bellte so laut ich konnte, vielleicht weil ich aus dem Schlaf aufgeschreckt worden war.
Er zuckte zusammen und sprang zurück, kein Wunder. Aber statt sich wie die meisten Leute noch weiter zurückzuziehen, blieb er stehen. Sein Gesicht verzog sich vor Ärger, und er bleckte die Zähne. Schließlich sagte er etwas, das ich nicht verstand – möglicherweise in einer mir unbekannten Sprache –, aber ich verstand, dass es etwas Gemeines war. Und dann zog er unter seinem Hemd ein Messer hervor, ein langes, mit einer glänzenden Klinge. Er bückte sich und schlitzte rasch einen der Reifen auf. Die Luft zischte heraus, und bevor ich mich auch nur rühren konnte, machte er einen Schritt nach vorne und schlitzte noch einen auf.
Im nächsten Moment war ich in der Luft, bleckte meinerseits die Zähne, und wie! Ich erwischte ihn mit einer Pfote
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