Bernie und Chet
Kompliziertes.«
»I ch werde mir merken.«
»K ompliziert und nicht für jeden etwas.«
»I ch tu ’ s nie wieder«, sagte Boris.
»D as Scherzen übernehme ich«, sagte Mr Gulagow. »F angen wir an.«
Sie kamen zum Käfig. Boris streckte die Hand aus. »J etzt?«
»J etzt.«
Boris schob den Riegel zurück, öffnete die Käfigtür. Das war ein Riesenfehler, Freundchen. Sofort war ich auf den Beinen und schoss wie der Blitz nach vorn, direkt durch die offene …
Nein, doch nicht. Ich hörte ein leises Klirren, sah etwas Metallisches aufblitzen, irgendwas packte mich am Hals. Ich verlor das Gleichgewicht, und dann lag ich flach auf dem Boden und mein Hals wurde immer fester zugedrückt. Als ich nach oben blickte, sah ich Mr Gulagow, der direkt vor mir stand, sich nach hinten lehnte, mit voller Kraft an der Kette eines Würgehalsbands zog und dabei mit seinen riesigen Zähnen knirschte. Ich kannte Würgehalsbänder, hatte ein- oder zweimal gesehen, dass in der Nachbarschaft jemand sie einem neuen jungen Hund angelegt hatte, aber nicht so, und mir hatte überhaupt noch nie jemand ein Würgehalsband angelegt, nicht einmal in der Zeit vor Bernie. Ich kämpfte gegen die harten Metallglieder an, wand mich hin und her und wehrte mich, aber das machte alles nur noch schlimmer.
»D as macht alles nur noch schlimmer«, sagte Mr Gulagow und zog noch fester, zerrte mich hoch. Ich konnte nicht mehr atmen. Ich versuchte verzweifelt, Luft zu holen, aber ich bekam keine. »H örst du mir jetzt zu, Stalin?« Er hielt kurz inne. Um mich herum begann alles weiß zu werden. »S itz«, sagte Mr Gulagow.
Er bewegte seine Hände. Die Kette gab nach. Ich holte Luft, Luft, Luft. Das Halsband war jetzt zwar lockerer, aber nicht so locker, dass ich beim Atmen kein Pfeifen von mir gegeben hätte.
»S itz.«
Ich blieb stehen. Ich hatte das Gefühl, nicht ganz ich selbst zu sein, aber ich blieb stehen.
»V ielleicht er hört schlecht«, sagte Boris.
»N ein«, sagte Mr Gulagow. »H ören tut er gut.« Er lächelte, lächelte mich mit diesen großen weißen Zähnen an. Das verwirrte mich, weil Menschenlächeln meiner Erfahrung nach immer mit irgendetwas Nettem verbunden war. Und in diesem Moment der Verwirrung zog Mr Gulagow mit einem gewaltigen Ruck an der Kette. Die Kette schnitt mir tief in den Hals, und ich sank wieder auf den Boden.
»J etzt versuchen wir es noch mal, ja?«, sagte Mr Gulagow, nach wie vor lächelnd. Er lockerte die Kette so weit, dass ich wieder ein paar keuchende Atemzüge machen konnte. »S teh«, sagte er. Ich blieb liegen. Mr Gulagow seufzte. »B oris?«, sagte er. »D ie Peitsche.«
»N ormale Peitsche oder Reitpeitsche?«, fragte Boris.
»D ie Reitpeitsche, denke ich.«
»W o ist Peitsche?«, fragte Boris.
»M uss ich denn alles selbst machen?«, empörte sich Mr Gulagow. »S perr die Augen auf.«
Boris trollte sich.
Ich lag auf dem Boden, die Zunge im Staub, und überlegte, was eine Reitpeitsche war. Mr Gulagow starrte auf mich runter. Da war etwas in seinen Augen, das mich wegschauen ließ.
»D u hast Mumm«, sagte er. »D u wirst einen guten Kampfhund abgeben, wenn ich erst mal deinen Willen gebrochen habe.«
Boris kam zurück. Jetzt sah ich, was eine Reitpeitsche war.
»L ass sie mal zu Demonstrationszwecken knallen«, sagte Mr Gulagow.
Boris machte eine rasche Handbewegung. Die Peitsche zuckte wie ein Blitz durch die Luft, knapp über meinem Kopf. Mr Gulagow zog an der Kette, zerrte mich hoch.
»S talin«, sagte Mr Gulagow. »S itz.«
Ich blieb stehen. Inzwischen war es völlig dunkel. Hinter dem Fenster oben in der Scheune ging Licht an. Ich sah jemanden am Fenster – ein Mädchen, und nicht nur das, ein Mädchen, das ich wiedererkannte: Madison Chambliss. Hey! Ich hatte sie gefunden.
»B oris?«, sagte Mr Gulagow. »Z eig ihm, wie es sich anfühlt.«
»D ie Peitsche?«
»W as glaubst du denn, wovon ich rede?«
Madison öffnete das Fenster und streckte den Kopf heraus. »W ehe, Sie tun dem Hund etwas«, sagte sie.
Mr Gulagow und Boris blickten zu ihr hoch. »W o ist Olga?« Mr Gulagows Gesicht schwoll an, wurde wieder rot. »W as ist los?«
Eine große Frau mit einem Haarknoten tauchte hinter Madison auf, mit in die Höhe gereckten Armen wie die Hexe in einem von Bernies alten Horrorfilmen. Sie versuchte Madison vom Fenster wegzuziehen. Madison riss die Augen auf. »H ey. Ist das nicht der Hund …?«
Dann verschwand sie aus meinem Blickfeld. In diesem Moment merkte ich, dass
Weitere Kostenlose Bücher