Bernie und Chet
ein zweiter Mann. Die Stimme kannte ich: der kleine Fahrer, dessen Augenbrauen in der Mitte aufeinandertrafen.
»V erabschiedet?«, fragte Boris.
»D u weißt schon: kaputt.«
»D as ich sehe«, sagte Boris. »I ch frage, warum. Es ist deine Aufgabe, dich um Auto zu kümmern.« Oder irgendwas in der Art – Boris war schwer zu verstehen.
»H eute Morgen haben sie noch funktioniert«, sagte der Fahrer. Ich hörte etwas klopfen, wahrscheinlich die Hand des Fahrers auf der Abdeckung eines der Rücklichter. »D as muss der Hund gewesen sein.«
»D u mir willst weismachen, dass Hund macht kaputt Rücklichter?«
»D u hast ihn doch rumfuhrwerken hören.«
»H unde machen kaputt Rücklichter, Harold?«, wiederholte Boris. »I st nicht logisch.«
»H ä?«, sagte Harold.
Ich verstand es auch nicht.
»S oll ich den Kofferraum aufmachen?«, fragte Harold.
Das verstand ich. Ich drehte mich auf den Bauch, zog meine Pfoten unter mich, kauerte mich zusammen, sprungbereit. Das war meine Chance! In dem Augenblick, in dem der Kofferraumdeckel aufging …
»N ein«, sagte Boris. »N icht jetzt. Wir machen auf Ranch auf.«
»W ie du willst«, sagte Harold. »A ber was machen wir mit dem verdammten Hund?«
»K eine Ahnung«, sagte Boris. »H und macht nur Ärger.«
»W arum erschießen wir ihn dann nicht einfach und lassen ihn am Straßenrand liegen?«
»H mmm«, sagte Boris. Es folgte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort. »M r Gulagow ist Meister der Logik. Er wird entscheiden.«
Ihre Schritte entfernten sich, knirsch, knirsch. Die Türen wurden geöffnet und geschlossen. Und dann fuhren wir weiter. Ich kratzte noch ein bisschen rum, aber nichts passierte. Ich legte mich hin. Die Fahrt ging holprig weiter.
Zeit verging, viel Zeit, jedenfalls kam es mir so vor, eine holprige Zeit in völliger Dunkelheit, ohne Geräusche oder Gerüche. Ich behielt die Augen offen, obwohl es nichts zu sehen gab. Es war wichtig, wachsam zu bleiben, vorsichtig zu sein. Bernie hatte da so einen Spruch: Vorsicht war die Mutter von irgendwas – ich konnte mich nicht genau erinnern, was. Meine Gedanken wanderten zu Bernie. Habe ich schon seinen Geruch erwähnt? Der beste Menschengeruch, den ich kenne, in gewisser Hinsicht sogar ein bisschen hundeähnlich. Wirklich, so gut. Nicht so wie meiner, versteht sich. Meiner war der allerbeste. Mein Geruch ist schwer zu beschreiben: eine Mischung aus altem Leder, Salz und Pfeffer, Nerzmänteln – mit Nerzmänteln kannte ich mich aus, weil Bernie einen besessen hatte, von seiner Oma, den er dann Leda schenkte – und einen Hauch von Tomate. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich Bernie gerochen hatte, damals auf der K 9 -Hundeschule. Das war kurz vor diesem unglückseligen …
Das Auto blieb stehen. Die Türen wurden geöffnet und geschlossen. Ich kauerte mich wieder hin, sprungbereit. Aber nichts passierte. Doch, da waren Schritte, aber sie entfernten sich. Danach Stille, abgesehen vom leisen Heulen des Windes.
Was war jetzt los? Ich war so weit, bereit zu springen, bereit anzugreifen, mir die Freiheit zu erkämpfen, aber nichts davon würde passieren, wenn nicht der Kofferraum aufging. Was sollte ich machen? Mir fiel nichts ein. Außer: Bernie.
Ich wartete. Und wartete weiter. Ich musste bereit sein, musste wachsam bleiben. Bernie wäre stolz auf mich gewesen, wie lange ich bereit und wachsam blieb, bis meine Augenlider sehr schwer wurden.
Quietsch. Knall. Wo war ich? Was war …?
Der Kofferraum war offen, der Deckel wackelte noch. Sie hatten ihn aufgemacht! Ich hörte ihn leise scheppern, aber ich konnte nichts sehen – überflutet von gleißend hellem Licht. Aber ich konnte riechen, und ich roch viel: Männer, einer widerlicher als der andere. Jetzt. Ich sprang auf das Licht zu.
Dann Verwirrung: glänzendes Metall, Menschengesichter, eine harte Landung. Ich sprang vorwärts und prallte sofort gegen etwas Hartes. Was war das? Ich befand mich in …
Klong.
In einem Käfig? In einem Käfig. O nein.
Ich wirbelte herum, inzwischen hatten sich meine Augen an das Licht gewöhnt, zu spät. Boris schob den Riegel vor und verschloss die Tür. Ich warf mich gegen die Stäbe, bellte wütend, rüttelte am Käfig, aber es nutzte nichts. Nach einer Weile stand ich einfach nur noch da, knurrte, sah hinaus.
Drei Männer sahen zu mir herein: Boris, Harold der Fahrer und ein kleiner, aber sehr stark aussehender Mann mit einem dicken Hals, dicken Armen und Beinen und einem rasierten Kopf.
Der dritte
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