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Bernie und Chet

Titel: Bernie und Chet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer Quinn
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beinahe kein Druck mehr auf meinem Hals lag. Ich warf Mr Gulagow einen Blick von der Seite zu. Ich musste nicht erst den Kopf drehen, um jemanden von der Seite anzusehen, meine Augen standen nicht so dicht beieinander wie bei den Menschen – ein weiterer Vorteil von meinesgleichen. Mr Gulagow starrte immer noch zu dem Fenster hoch, seine Hand lag locker um die Kette, die Finger halb ausgestreckt.
    Ich machte einen Satz.
    »W as zum Teufel soll das?«, fragte Mr Gulagow.
    Die Kette legte sich enger um meinen Hals, aber nur einen Moment lang, und dann wurde sie ihm aus der Hand gerissen. Frei! Ich rannte los, steuerte auf die hintere Ecke der Scheune zu, die Kette hinter mir herziehend. Ein Scheunentor öffnete sich und Harold kam heraus. Ich nahm einen neuen Geruch an ihm wahr, einen, mit dem Bernie und ich schon häufig zu tun gehabt hatten: den Geruch einer Pistole, die erst vor Kurzem abgefeuert worden war. Harolds Hand griff in seine Jackentasche. Hatte ich gesehen, was Pistolen anrichten konnten? Viel zu oft. Ich schlug einen Haken in die andere Richtung, aber inzwischen hatte sich Boris in Bewegung gesetzt und schwang die Peitsche über seinem Kopf. Ich schlug einen weiteren Haken und rannte in die einzige Richtung, die mir jetzt noch blieb, auf den felsigen Hügel zu. Wenn ich es schaffte, da raufzukommen, vielleicht …
    »E rschieß ihn«, brüllte Mr Gulagow.
    Ein Schuss knallte, und dann noch einer; eine Kugel prallte von einem Stein neben mir ab. Ich erreichte den Fuß des Hügels und rannte ohne lange nachzudenken in die Mine. Noch ein Schuss und noch einer. Ich rannte weiter; ich hatte gesehen, was Pistolen anrichten konnten.
    Das schwache Licht, das von draußen in die Mine fiel, reichte noch ein kurzes Stück, dann wurde es stockfinster. Ich spürte Schwellen unter meinen Pfoten, dazwischen kalte harte Erde. Nach einer Weile blickte ich zurück. Der Eingang der Mine war in der Finsternis ein etwas hellerer, verschwommener Kreis. Dahinter sah ich die Lichter, die in der Scheune brannten. Ich blieb mit einer Vorderpfote in der Luft stehen und stellte die Ohren auf, so wie ich es immer mache, wenn ich aufmerksam horche. Stille, abgesehen vom Wüstenwind. Ich schlich mich zurück zum Eingang.
    Langsam, ganz langsam. Ich kann wirklich sehr leise sein, wenn ich will: geräuschlos wie ein Schatten, sagte Bernie immer. Jetzt bewegte ich mich wie ein Schatten vorwärts, war nur noch ein paar Schritte vom Eingang entfernt. Und dann? Dann los. Ich würde nach draußen schießen, zwischen all den anderen Schatten in der Nacht verschwinden, heimwärts. Aber gerade als ich langsam den letzten Schritt machte, schlug das Ende der Kette – an die hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht – gegen eine der Schienen.
    Licht blitzte auf, hell wie die Sonne.
    »D a ist er.«
    Ich machte kehrt und flitzte wieder in den Schacht hinein, die Kette laut scheppernd hinter mir herziehend. Eine Pistole wurde abgefeuert und gleich darauf kam ein lautes Pling von einer der Schienen, so nahe, dass ich vor Schreck mit allen vier Pfoten gleichzeitig einen Satz in die Luft machte. Mr Gulagow, nicht weit hinter mir, rief: »I hm nach, aber benutzt euer Hirn – es gibt nur einen Ausgang. Ihr wisst das. Das Tier weiß es nicht.«
    War ich das? Das Tier? Und es gab etwas, das ich nicht wusste? Aber was? Das verstand ich nicht. Ich rannte einfach weiter, immer tiefer und tiefer in den dunklen Schacht hinein. Als ich einen Blick nach hinten warf, entdeckte ich auf den Schienen einen hellen Lichtschein, der mich verfolgte. Mein Durst, meine Müdigkeit – alles war vergessen, und ich rannte weiter. Gab es einen Menschen, den ich nicht abhängen konnte? Nein.
    Hinter mir hörte ich Stimmen, weiter weg jetzt. »F olgt einfach dem Geräusch.«
    Geräusch? Was für ein Geräusch? Ich war wie ein Schatten. Dann, endlich, fiel mir die Kette wieder ein. Warum vergaß ich die bloß dauernd? Ich lief ein bisschen langsamer, drehte den Kopf, biss in das kalte Metall, biss zu, so fest ich konnte. Nichts passierte. Die Kette durchzubeißen ging über meine Fähigkeiten. Ich versuchte es trotzdem weiter. Dann hatte mich der Lichtschein plötzlich eingeholt, sauste an mir vorbei. Du darfst nicht langsamer werden, Chet. Ich blickte nach vorn und sah, dass der Schacht hinter einer Kurve verschwand. Peng: wieder ein Schuss, der durch den Schacht hallte. Irgendetwas zischte durch das Fell an meiner Schwanzspitze, und dann splitterte in der Nähe Holz. Ich

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