Bernie und Chet
mich auf das Licht zu.
Es stellte sich heraus, dass es ziemlich weit weg war. Aber je mehr ich mich ihm näherte, desto mehr konnte ich sehen. Ich befand mich in einem schmalen Schacht, und er wurde immer schmaler, Decke und Wände kamen immer dichter auf mich zu. Als ich die Lichtquelle, einen kleinen Spalt in der Wand, endlich erreichte, musste ich auf dem Bauch kriechen. Ich schnupperte daran, roch Dinge von draußen: Mesquitebäume, Blumen und ein Geruch, der mich an Katzen erinnerte. Ich schlug mit der Pfote gegen den Spalt. Ein Stück der Wand bröckelte weg und der Spalt wurde breiter. Ich schlug noch einmal dagegen. Der Spalt wurde zu einem Loch. Als ich durchschaute, sah ich große Steine, einen vorbeirollenden Steppenläufer und in der Ferne eine große Kuppe.
Ehe ich mich ’ s versah, fing ich an zu buddeln, schneller, als ich jemals zuvor gebuddelt hatte. Erde und Steine flogen mir um die Ohren. Bald war das Loch groß genug, dass ich den Kopf durchstecken konnte. Das tat ich auch sogleich, blinzelte ein paarmal, um den Staub in meinen Augen loszuwerden, und stellte fest, dass ich mich hoch oben an einem steilen Abhang befand, ein ganzes Stück über dem Wüstenboden. Ich versuchte mich durch die Öffnung zu quetschen, kam aber nicht weit. Ich wurde ein bisschen panisch. Meine Vorderpfoten steckten fest, aber nicht die Hinterpfoten; die fingen wie wild an zu treten. Plötzlich hörte ich ein seltsames Rumpeln, und der ganze Berg schien zu wackeln. Ich wand mich mit aller Kraft hin und her und trat, um freizukommen. Der Berg ließ ein Donnergrollen hören und schleuderte mich aus dem Loch – genau genommen, war da gar kein Loch mehr. Ich kullerte den Abhang runter, rings um mich herum flogen Erdbrocken und Steine durch die Luft.
Am Rand eines schmalen Felsvorsprungs blieb ich liegen, das Ende der Kette traf mich am Rücken, überall war Staub. Tat mir irgendwas weh? Nein: Ich war nicht durstig, ich war nicht einmal müde, nur ein kleines bisschen hungrig. Ich erinnerte mich an das kalte Steak, das Bernie und ich uns geteilt hatten, mit viel Sauce drauf. Na gut: ich war sehr hungrig.
Ich stand auf und schüttelte mich ausführlich, produzierte eine Staubwolke wie bei einem Sturm. Nachdem sie sich wieder gelegt hatte, konnte ich hinunter in die Wüste schauen. Sie hörte überhaupt nicht mehr auf, in der Ferne waren ein paar Berge zu sehen: keine Spur von Mr Gulagow oder seiner Ranch, keine Gebäude in Sicht, keine Menschen. Ich war frei! Mein nächster Gedanke galt dem Zuhause und Bernie.
Aber wo lag das Zuhause? Ich schnüffelte herum. Ich hatte auch früher schon von weit weg wieder nach Hause gefunden, indem ich einfach meinem eigenen Geruch gefolgt war; ein sehr angenehmer Geruch, habe ich das schon erwähnt? Dieses Mal führte mein Geruch aber nur den Berg hinauf, in die Mine. Das war die falsche Richtung, so viel stand fest. Ich lief an dem Felsvorsprung entlang, hielt Ausschau nach einem Weg nach unten. Es hing wieder dieser seltsame Katzengeruch in der Luft, nicht richtig Katze, irgendwie stärker. Ich entdeckte eine schmale Rinne, folgte ihr auf der einen Seite den Vorsprung hinunter und um einen riesigen Felsbrocken herum, so groß wie ein Auto. Frische Luft, nicht zu heiß, jede Menge Sonnenschein: Das war gar nicht mal so schlecht. Mein Schwanz stand in die Höhe, wachsam, wedelte ein bisschen. Alles in allem fühlte ich mich ziemlich gut, und falls ich irgendwelche Sorgen hatte, konnte ich mich im Moment zumindest nicht daran erinnern.
Und dann, ohne jede Vorwarnung, von einem leichten Lufthauch hinter mir abgesehen, wurde ich von etwas Großem und Starkem getroffen, und zwar mit einer solchen Wucht, dass ich in die Luft geschleudert wurde und ein Stück weiter unten am Abhang unsanft wieder landete. Ich rollte mich herum, blickte nach oben und sah ein riesiges katzenähnliches Tier, das auf mich zukam, ein Tier, das ich aus dem Discovery Channel kannte: ein Berglöwenweibchen. Riesige Zähne, riesige Krallen, riesige gelbe Augen – eine auf Albtraumgröße aufgeblasene Katze. Was hatte Bernie damals vor dem Fernseher gesagt? Falls du jemals einem von diesen Biestern begegnest, darfst du alles tun, nur nicht wegrennen. Wenn du wegrennst, bist du erledigt. Er hatte sogar – nach ein, zwei Bourbon, das tat Bernie nicht immer gut – einen Berglöwen imitiert und war auf mich losgegangen, hatte seine Finger wie Krallen gebogen und gesagt: »B leib stehen, Chet, bleib stehen.«
Ich
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