Bernie und Chet
gemacht haben. Das ist immer ein Mordsspaß – Mrs Parsons kann es aus dem Fenster im ersten Stock sehen, wo wir den Schaukelstuhl stehen haben. Jedenfalls war ich kurze Zeit später im Erdgeschoss – kann sein, dass Mrs Parsons in dieser Nacht nicht recht einschlafen konnte – und warf einen Blick aus dem Küchenfenster, dort rüber.« Mr Parsons deutete die Straße hinunter. »U nd da sehe ich, meinte ich jedenfalls – es war dunkel, deshalb bin ich mir natürlich nicht ganz sicher, außerdem passierte alles ganz schnell, wie gesagt, nageln Sie mich also bitte nicht darauf fest …« Seine Stimme versiegte und sein Blick wurde ganz müde.
»I ch werde Sie bestimmt nicht darauf festnageln, Mr Parsons. Was meinten Sie zu sehen?«
»S chwer zu glauben, wirklich«, sagte Mr Parsons. »E s kommt mir fast wie ein Traum vor. Dort unten stand ein Auto, direkt vor dem Haus auf der anderen Straßenseite, das mit dem ›Zu verkaufen ‹ -Schild, und zwei Männer warfen etwas in den Kofferraum und fuhren davon.«
»W as warfen sie in den Kofferraum?«, fragte Bernie.
»D as ist das, was mir wie ein Traum vorkommt«, sagte Mr Parsons. »B esser gesagt, ein Albtraum.« Er blickte auf mich herunter. Ich dachte: Du machst das prima, alter Freund. Komm, spuck ’ s aus. »F ür mich sah es aus«, sagte er, »w ie ein Hund. Und nicht irgendein Hund, sondern dieser hier, Chet.« Er tätschelte mich. Seine Finger, die ganz knorrig und geschwollen waren, fühlten sich kalt an. »A ber jetzt steht er leibhaftig vor mir. Ich muss es mir wohl eingebildet haben.«
»D as glaube ich nicht«, sagte Bernie. Seine Miene war wie versteinert. »K önnen Sie die beiden Männer beschreiben?«
»N ein«, sagte Mr Parsons. Er schloss einen Moment lang die Augen. »D er eine könnte größer als der andere gewesen sein. Der blonde.«
»E iner der Männer war blond?« Bernies Stimme wurde schärfer. Meine Nackenhaare stellten sich ein bisschen auf.
Mr Parsons öffnete die Augen. »D er größere der beiden. Seine Haare leuchteten im Dunkeln.«
Von drinnen rief eine Frau mit schwacher Stimme: »D aniel? Daniel?«
»T ut mir leid«, sagte Mr Parsons. »I ch muss wieder rein.« Er schloss die Tür. Iggy krachte noch mal gegen irgendetwas.
Wir überquerten die Straße zu dem Haus mit dem »Z u verkaufen«-Schild.
»W as ist hier passiert, alter Junge?«, fragte Bernie. »I ch komme mir langsam wie der letzte Idiot vor.«
Bernie? Ein Idiot? Konnte nicht sein. Bernie war immer der Klügste weit und breit, außer vielleicht wenn er zu viel Bourbon getrunken hatte. Ich erinnerte mich beispielsweise an einen Abend, da wickelte er die Lichterketten um den Weihnachtsbaum, aber zu der Geschichte komme ich vielleicht später noch.
Wir musterten das Haus mit dem »Z u verkaufen«-Schild. Die Rollläden waren heruntergelassen und in der Einfahrt lagen einige zusammengerollte Zeitungen. Ich lief hin und schnappte mir eine, und gerade als ich ein bisschen damit herumrennen wollte, kam eine Frau aus dem Haus. Sie trug einen Hosenanzug, hielt eine große Aktentasche in der Hand und hatte irgendeine Art von Telefon in ihr Ohr gesteckt.
»S ie sind früh dran«, sagte sie. »E s geht erst mittags los.«
»W as denn?«, fragte Bernie.
»D ie Führung. Sind Sie kein Interessent?«
»N ein, ein Nachbar.«
»A ch ja? Welches ist denn Ihr Haus?«
Bernie deutete darauf. Die Frau trat zu ihm. »R eizend«, sagte sie. »S ie brauchen mir nicht zu erzählen, wie wunderbar diese Straße ist, mit dem Canyon gleich hinterm Gartenzaun. Die Preise sind sehr stabil. Wenn Sie also jemals überlegen sollten zu verkaufen …« Sie gab Bernie ihre Karte.
Er nahm sie und sagte gleichzeitig: »C het?«
Ich ließ die Zeitung fallen beziehungsweise das, was davon übrig war, und versuchte, klein auszusehen.
Bernie musterte die Karte. »S ie sind Immobilienmaklerin?«
»S ie sehen die Immobilienkönigin des East Valley vor sich stehen«, sagte die Frau. Dann nannte sie ihren Namen, aber ich kriegte ihn nicht mit, weil plötzlich ein lästiger Fetzen der Zeitung unter meiner Zunge aufgetaucht war. Die Frau und Bernie schüttelten einander die Hand; sie gehörte zu den Zweihandschüttlern und hielt Bernies Hand länger als nötig fest. Owei. Dabei veränderte sie auch noch ihre Haltung: Ragte ihre Brust nicht plötzlich etwas weiter vor? In bestimmten Situationen, die immer mit Frauen zu tun hatten, war Bernie einfach hilflos.
Aber er schien nichts davon mitzubekommen.
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