Bernie und Chet
hatte, wegen unserer kleinen Session in Max ’ Sparerib-Paradies wahrscheinlich. Die Coupons bedeuteten bestimmt, dass wir eines Tages dorthin zurückkehren würden; Bernie war ein begeisterter Schnäppchenjäger. Und vielleicht war ich ja auch nicht hungrig, aber Tanken und Snacks gehörten irgendwie zusammen. Zugegeben, Snacks schmecken besser, wenn man Hunger hatte, aber schmeckten sie jemals schlecht? Seien Sie ehrlich!
Bernie goss Wasser in meinen Reisenapf und hielt ihn mir hin. Ich trank ein bisschen – schön kalt. Bernie hob die Flasche an den Mund und blickte in den Himmel. »W as, wenn die Monsunregen diesen Sommer ausbleiben?«, fragte er.
Ich wusste es nicht.
Wir fuhren immer höher, kurvten auf einer zweispurigen Straße durch die Berge und erreichten eine Hochebene. Der Verkehr hatte sich ausgedünnt, bis nur noch wir übrig waren. Ich roch alle möglichen wilden Sachen und … Was war das denn, was da so schnell am Straßenrand lief? Ein Rennkuckuck? Ja! Ein echter Rennkuckuck. Sieh sich einer dieses Kerlchen an! Ach, ich hatte mir schon immer gewünscht, mal …
»C het? Ganz ruhig.«
Wir sausten an dem Rennkuckuck vorbei, aber doch nicht so schnell, dass ich nicht den stahlharten Blick in seinen glänzenden, schwarzen Augen gesehen hätte. Er drehte ab, stürmte ins Gebüsch und war verschwunden. Ziemlich schnell, aber ich würde trotzdem auf mich setzen.
Es dauerte nicht lange, und wir fuhren den Pass zu einem Gipfel hoch und dann wieder nach unten. Die Luft war frisch, der Himmel klar – freie Natur, so weit das Auge reichte. »V on hier aus kann man bis nach New Mexico sehen«, sagte Bernie. Mexiko: das Wort weckte ein gewisses Unbehagen bei mir, aber ich wusste nicht, warum. Gerade als wir eine staubige kleine Stadt erreichten, fiel mir wieder ein, dass Mr Gulagow mich für Hundekämpfe dort hatte ausbilden wollen, dort in Mexiko. War das dasselbe wie New Mexico? Keine Ahnung, aber ich hatte Neuigkeiten für Mr Gulagow: Ich war jetzt mit Bernie unterwegs, mein Lieber. Ich reckte das Kinn in die Höhe.
»S ierra Verde«, sagte Bernie und drosselte das Tempo. Er warf mir einen Blick zu. »K ommt dir das bekannt vor?«
Leider nein. Oder, warte mal. Da drüben, die Bar mit dem Neon-Martiniglas im Fenster. Vielleicht …
»M acht nichts«, sagte Bernie. »W ir fangen hier an.« Er bog um eine Ecke, fuhr eine Seitenstraße hoch, die nur von ein paar Gebäuden gesäumt war, einige davon mit Brettern zugenagelt, und stellte das Auto vor dem letzten ab. Bernie sah mich aus dem Augenwinkel an.
Dieses letzte Gebäude, das am Ende eines gepflasterten Wegs hinter einem großen Tor stand, ein Flachbau mit einer unauffälligen Farbe und einer dünnen, weißen Rauchfahne, die aus einem Schornstein in die Luft stieg: Ich kannte es, oh ja; es kam mir nur allzu bekannt vor. Ich verkroch mich halb unter dem Sitz.
»N a komm, es ist alles in Ordnung, alter Junge.«
Ich blieb, wo ich war. Ich fing am ganzen Körper an zu zittern, konnte nichts dagegen machen.
»K omm schon, Chet. Ich brauche deine Hilfe.«
Ich kletterte auf den Sitz zurück.
»B ist ein Braver. Spring raus.«
Vom Kopilotensitz rausspringen: Ich hatte es schon oft gemacht, aber meine Beine zitterten auf einmal so sehr, dass ich zu kurz sprang und auf den Sitz zurückrutschte.
»M ach dir keine Sorgen, Kumpel.« Bernies Gesicht war jetzt ganz hart, seine Augen blitzten, so wie sie es immer taten, wenn er wütend war. Wütend auf mich? Konnte schlecht sein, wo doch seine Stimme so sanft und leise klang, als er sagte: »B eruhige dich. Ich bin gleich wieder da.«
Nein. Das war auch nicht gut. Ich zog meine Hinterbeine an und sprang hinaus, schaffte es so gerade. Bernie sagte nichts, sondern kraulte mich nur zwischen den Ohren. Dann gingen wir den gepflasterten Weg entlang, Seite an Seite. Bernie öffnete das Tor. Ich nahm massenhaft die Witterung von meinesgleichen auf – ein Völkchen von vielen in unserem Vielvölkerstaat, wie Bernie sagte –, und sie brachte die Erinnerung an diesen schlimmen Ort zurück. Ich hob Kopf und Schwanz und ging weiter.
Wir betraten das Gebäude, und ich stand wieder in dem kleinen Empfangsraum mit der Theke und noch mehr Gerüchen, unter anderem dem nach etwas Verbranntem, wie ich jetzt begriff. Hinter der Theke stand ein Mann in einem weißen Kittel. Den kannte ich doch! Unmöglich zu vergessen: Das war der Mann, der mir versprochen hatte, ich wäre in null Komma nichts aus diesem kleinen Gebäude
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