Bernstein Verschwörung
»Die Technik und ich wären dann so
weit. Sollen wir gleich anfangen?«
»Gern.« Er
setzte die Kopfhörer, die sie ihm reichte, auf und rückte
sich das Mikrophon zurecht. Mit der Studiotechnik war er offenbar
vertraut - schließlich war er Musiker und dies sicherlich
nicht sein erster Besuch in einem Radiosender.
Heike zog ein Blatt
aus der Tasche, auf dem sie sich schon am Morgen die Fragen, die
sie Mehrmann stellen wollte, notiert hatte und faltete es sorgsam
auseinander. Dann nickten sie sich zu, Mehrmann hob den Daumen, und
Heike begann mit der Aufzeichnung des Interviews. Bei der
Nachbearbeitung würde sie Versprecher und Ahs, wie sie immer
wieder vorkamen, herausschneiden. Nachdem sie eine kleine
Anmoderation gesprochen hatte, kam Heike auf ihren Studiogast zu
sprechen und stellte ihn in ein, zwei Sätzen vor. Das
Interview gestaltete sich angenehm; Mehrmann antwortete
detailliert, ohne zu schwafeln und auf den Punkt genau. Dabei
verkaufte er sich sympathisch, wie sie
fand.
»Und derzeit
arbeitet ihr an eurem neuen Studioalbum«, sagte sie dann.
»Wird es wieder ein Video geben, das man sich online
anschauen kann?« Heike blieb nicht verborgen, wie es hinter
David Mehrmanns Stirn zu arbeiten begann. Er wirkte plötzlich
unkonzentriert, zögerte, bevor er antwortete.
»Na klar machen
wir wieder ein Video, das ist beim letzten Mal auch gut bei unseren
Fans, nicht nur hier im Bergischen Land, angekommen.« Er rang
mit den Händen, wirkte plötzlich nervös. »Mehr
möchte ich aber noch nicht verraten - schließlich soll
es spannend bleiben.« Er grinste Heike an, doch es blieb ihr
nicht verborgen, dass mit Mehrmann etwas nicht stimmte. Doch Heike
war Profi, und sie bohrte nicht weiter nach. Das Thema schien ihm
unangenehm zu sein, und so setzte sie das Interview fort. Sie war
sicher, dass sie zu gegebenem Zeitpunkt noch mehr erfahren
würde.
Erst, als sie am Ende
der Aufzeichnung angelangt waren und die Kopfhörer abnahmen,
räusperte sich Mehrmann. »Hast du vielleicht einen
Schluck Wasser für mich?«
»Klar
doch.« Heike erhob sich, nachdem sie das Interview
abgespeichert hatte und verließ das Aufnahmestudio, um kurz
darauf mit einer kleinen Flasche Mineralwasser und einem
Plastikbecher zurückzukehren. »Was ist los?«,
fragte sie.
Der Musiker bedankte
sich mit einem Lächeln und trank gierig. »Es geht um den
Videodreh«, sagte er schließlich. »Davon soll
aber bitte nichts gesendet werden«, bat er
eindringlich.
»Das ist
selbstverständlich«, versprach Heike. »Ich muss
das einfach loswerden, weil ich sonst durchdrehe.«
»Was ist
passiert?«
»Wir haben
gestern in einem alten Bunker gedreht. Ich weiß nicht, ob das
legal war, aber wir wollten ja nichts zerstören. Und
während wir drehten, waren auch noch andere Typen in dem
Bunker.« Stockend berichtete Mehrmann, was sich an der
Münzstraße zugetragen hatte. Heike hing förmlich an
seinen Lippen, dann erinnerte sie sich an die Schießerei im
Bunker, bei der Hauptkommissar Ulbricht die Leiche abhandengekommen
war. Eine Meldung über den seltsamen
Vorfall hatte es in den Lokalnachrichten der Wupperwelle gegeben.
Bei der Vorstellung, dass er über den Umstand bitterlich
geflucht haben musste, stahl sich ein Schmunzeln auf ihr
Gesicht.
*
Dann hatte sie eine
Idee: »Sag mal, was hältst du davon, wenn du mir den
Bunker zeigst?« Mehrmann blickte sie zweifelnd an.
»Wann?«
»Ich muss nur
schnell das Interview schneiden und einsprechen, weil der erste
Teil schon heute Nachmittag gesendet werden soll. Aber die
Geschichte interessiert mich brennend. Und wenn du kein Problem
damit hast, würde ich mir die Stelle im Bunker gern
ansehen.«
»Klar, von mir
aus.« Mehrmann nickte zustimmend und erhob sich.
»Dann treffen
wir uns in einer Dreiviertelstunde am Bunker?«
»Geht klar,
Heike.« Mehrmann grinste und verabschiedete sich
höflich.
Heike blickte ihm
lange nach. Der Musiker nickte den anwesenden Kollegen im
Großraumstudio zu, dann war er aus der Redaktion der
Wupperwelle verschwunden. Und Heike hatte das untrügliche
Gefühl, dass sie am Anfang einer ganz heißen Story
stand.
Studio Wupperwelle,
14.55 Uhr
»Wie stellen Sie
sich das vor?« Eckhardt blies hörbar die Luft aus und
fuhr sich durch das erhitzte Gesicht. »Ich kann unseren
Oberbürgermeister unmöglich ans Messer
liefern!«
Stefan, der auf einem
der bequemen Stühle vor dem Schreibtisch seines Chefs
saß, drehte die kleine Kaffeetasse in den
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