Bernsteinsommer (German Edition)
eigenes Leben für die Person riskierten, die sie beschützten.
„Ich denke, Bodyguards tun auch nur ihren Job“, sagte er und schluckte all die harten Erwiderungen herunter, die er ihr am liebsten entgegengeschmettert hätte.
Kira lächelte ein wenig. „Klar. Ach, einige von diesen Typen sind ja auch gar nicht so schlimm“, wiegelte sie ab. „Natürlich ist ihr Job auch nicht gerade leicht. Es ist nur so, dass … na ja, die Dobermänner haben wohl immer all den Unmut abbekommen, der sich eigentlich gegen meinen Vater richtete. Schließlich war er es, der sie erst auf mich angesetzt hat.“
„Mhmm.“ Finns Magen wollte sich einfach nicht beruhigen.
Am liebsten hätte er ihr in dieser Sekunde ins Gesicht gebrüllt, dass auch er einer von diesen Dobermännern war. Sogar der Ober-Dobermann, wenn man es genau nahm. Alles in ihmdrängte danach, dieser Farce hier und jetzt ein schnelles Ende zu machen. Er fühlte sich miserabel. Niemals – das wurde ihm spätestens jetzt bewusst –, niemals würde er bei Kira Lengrien auch nur die geringste Chance haben, wenn sie ihn unter anderen Umständen kennengelernt hätte.
Aber er brüllte sie nicht an. Er blieb stumm und ließ sich nicht das Geringste anmerken – und zu seiner großen Erleichterung wechselte sie das Thema.
„Hast du eigentlich immer in Hamburg gelebt, Finn?“
Er nickte. „Ja. Ich kann mir auch nicht vorstellen, irgendwo anders leben zu müssen. Hamburg ist meine Stadt. Ich habe schon viele Städte gesehen, aber … keine ist wie sie. Diese Stadt hat irgendwie … die Nase im Wind.“
Kira lächelte sanft. „Stimmt“, sagte sie schlicht. „In welchem Stadtteil bist du groß geworden?“
„Meine Eltern leben in einem kleinen Häuschen am westlichen Stadtrand und genießen inzwischen ihren wohlverdienten Ruhestand, aber früher, als junger Mann, ist mein Vater zur See gefahren. Später dann, nachdem meine Mutter uns Kinder bekommen hatte, blieb er in Hamburg und arbeitete als Hafenlotse.“ Ein angedeutetes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Als ich nicht mehr ganz so klein war, bin ich oft bei ihm auf dem Lotsenboot gewesen. Praktisch immer, wenn ich Ferien hatte. Mein Vater hat oft gesagt, ich sei eine waschechte Hafenratte – ganz anders als meine Geschwister.“
Auch Kira lächelte. „Du hast also Geschwister?“, fragte sie.
„Ja. Eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Wir sind alle ziemlich genau ein Jahr auseinander.“
„Und? Gibt es Neffen und Nichten?“
Über Finns Gesicht huschte ein Grinsen. „Zum großen Leidwesen meiner Mutter gibt es sie nicht. Meine Schwester Mareike ist zwar glücklich verheiratet, aber eine echte Karrierefrau. Sie ist eine äußerst erfolgreiche und hoch angesehene Thoraxchirurgin und arbeitet als Oberärztin in einer Spezialklinik für Lungen- und Herzkrankheiten. Ihr Mann ist ebenfalls Mediziner und hat eine eigene Praxis. Es war von Anfang an klar, dasssie zugunsten ihrer Karrieren auf Kinder verzichten würden.“
„Und dein jüngerer Bruder?“
„Lukas?“ Wieder lachte er. „Oh, unser Lukas ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Privatschule. Außerdem ist mein kleiner Bruder der jüngste Literaturprofessor an der Hamburger Universität und damit der ganze Stolz unserer lieben Eltern. Nur leider …“, Finn zuckte mit den Schultern und grinste schief, „leider hat er noch nicht einmal eine Freundin. Sagen wir mal … seine Interessen liegen ganz woanders.“
„Hm, Männer?“
Finn lachte dunkel auf. „Oh nein! Er mag Frauen durchaus – das heißt, wenn er sie überhaupt mal wahrnimmt. Es sind eher die Bücher, Kira! Der Mann liebt nichts auf der Welt so sehr wie Bücher. Du solltest nur mal seine Wohnung sehen. Die reinste Bibliothek, sag ich dir.“
„Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass dein Bruder mit … mhm, Anfang dreißig noch nicht eine einzige Freundin hatte?“
Noch immer grinsend schüttelte Finn seinen Kopf. „Na, ganz so schlimm ist es mit ihm nun doch nicht. Er hatte schon mal eine Freundin: Juliane, ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Aber wenn du mich fragst, die Beziehung dümpelte über mehrere Jahre nur so dahin. Ich glaube, es war für beide Seiten eine echte Erleichterung, als Juliane sich endlich vollkommen entnervt von Lukas getrennt hat.“
Kira lachte. „Nur für deine Mutter nicht, nicht wahr? Ich meine, wegen der Enkel, die ihr damit mal wieder durch die Lappen gingen.“
Finns jungenhaftes Grinsen wurde
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