Bernsteinsommer (German Edition)
versuchte sich ein wenig zu entspannen.
Kira kam mit einem kleinen Tablett zurück und setzte es auf dem Couchtisch ab. Bevor sie sich neben ihm niederließ, schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein.
„Du willst wirklich keinen Kaffee, Finn?“
„Nein danke, wirklich nicht. Ist mir zu spät für Koffein.“
„Ich kann ohne Kaffee nicht leben“, erklärte sie lächelnd. „Ich trinke ihn zu jeder Tageszeit.“
„Hmm, ich habe früher auch viel mehr Kaffee getrunken – als ich noch bei der Polizei war.“
„In welcher Abteilung hast du gearbeitet?“
„Die meiste Zeit war ich bei der Drogenfahndung“, antwortete er kurz.
Kira nickte. Obwohl er das Thema Polizei von sich aus angeschnitten hatte, überkam sie erneut das Gefühl, dass er nicht gerne über diese Zeit in seinem Leben sprach. Da es ihr aber wichtig war, dass er sich heute Abend wohlfühlte, entschied sie sofort, nicht noch ein weiteres Mal nachzuhaken.
„Wie hast du eigentlich Werner Martinelli kennengelernt?“, wechselte sie stattdessen das Thema.
Finn zuckte innerlich ein wenig zusammen, und in seinem Magen machte sich ein nervöses Kribbeln breit. Er wusste, dass jetzt der Moment kommen würde, wo er ihr zum ersten Mal offen ins Gesicht lügen musste. Bisher hatte er ihr nur einigeDinge verschwiegen oder sie ein wenig beschönigt, aber nun konnte er es nicht mehr weiter hinausschieben. Er hatte geahnt, dass dieser Augenblick nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Jetzt würde er ihr also die Geschichte erzählen, auf die er sich zusammen mit Edgar Lengrien und Werner Martinelli geeinigt hatte.
„Durch einen gemeinsamen Bekannten“, sagte er. „Einen Anwalt. Ich habe sein Arbeitszimmer renoviert. Neue Bücherregale eingebaut und so weiter. Er ist im selben Golfklub wie Werner Martinelli.“
„Kennst du eigentlich auch meinen Vater, Finn?“
In Finns Magen schien sich langsam aber sicher eine Ameisenkolonie anzusiedeln, aber äußerlich war ihm nicht die kleinste Regung anzusehen, dessen war er sich sicher.
„Ich habe ihn mal im Fernsehen gesehen, aber ich weiß natürlich, dass er und Martinelli Geschäftspartner sind.“
Kira lachte auf. „Geschäftspartner sind sie, das ist wohl wahr. Aber vor allem ist Werner Martinelli auch ein Freund der Familie. Er war immer da – auch für mich.“
„Du magst ihn also sehr?“
„Oh ja. Er ist ein paar Jährchen jünger als mein Vater und hat mir oft viel mehr Verständnis entgegengebracht. Als ich noch ein Teenager war, habe ich sogar mal eine Zeit lang regelrecht für ihn geschwärmt. Ich denke, ich sollte als Tochter wohl ein schlechtes Gewissen haben, denn etwas später, als diese Jungmädchenschwärmerei ein Ende gefunden hatte, habe ich mir manchmal gewünscht, der tolle Onkel Werner wäre mein Daddy und nicht dieser nervige Typ, der sich ständig übertriebene Sorgen um mich machte und mir dauernd seine Wachhunde auf den Hals hetzte, egal wo ich mich auch gerade aufhielt.“ Wieder lachte sie. „Versteh mich jetzt nicht falsch, Finn. Ich liebe meinen Vater sehr. Auch er hat inzwischen dazugelernt. Heute sieht er zum Glück vieles gelassener, wenn es um mich geht. Ich habe ihm irgendwann ordentlich den Kopf gewaschen. Er hat unterdessen eingesehen, dass es ziemlich nervtötend sein kann, wenn man ständig das Gefühl habenmuss, dass diese Dobermänner einem auf Schritt und Tritt an den Fersen hängen.“
„Dobermänner?“ Finn zog die Augenbrauen hoch.
„Ja, so nenne ich diese komischen Typen … du weißt schon, ich meine die Bodyguards.“
„Dobermänner also“, wiederholte Finn und unterdrückte ein Schmunzeln.
„Du solltest diese Typen mal sehen! Ganz im Ernst, Finn, die meisten von denen sehen tatsächlich aus wie Wachhunde. Kantige, leere Köpfe – nur lauter Muskeln. Furchtbare Gestalten, sag ich dir.“
„So so.“ Finns leichte Belustigung verschwand. Stattdessen musste er plötzlich den brennenden Wunsch unterdrücken, die Männer zu verteidigen, die ihm unterstellt waren. Kira urteilte nicht gerecht, und das ärgerte ihn. Die meisten seiner Männer bestanden durchaus nicht nur aus Muskeln, sondern hatten kluge Köpfe und waren hervorragende Strategen. Der Beruf des Personenschützers war eine ernst zu nehmende und verantwortungsvolle Tätigkeit, die man wirklich keinem hirnlosen Muskelprotz aufbürden durfte. Er war davon überzeugt, dass Kira niemals ernsthaft darüber nachgedacht hatte, dass diese Männer unter gewissen Umständen sogar ihr
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