Bernsteinsommer (German Edition)
dachte sie sofort und gab sich damit selbst die Antwort auf ihre Fragen. Sie hatte wieder dieses Glitzern in seinen Blicken gesehen und es für Verlangen gehalten, aber sie hatte es offenbar falsch interpretiert.
Schon wieder, Finn! Du hast mich schon wieder zurückgestoßen! Auch wenn es dieses Mal nicht so offensichtlich geschehen ist.
Finns Laune war fast auf dem Nullpunkt, als er seinen Wagen am Fähranleger abstellte. Kira hatte kaum noch ein Wort mit ihm gewechselt, seit sie ihn auf halber Strecke gebeten hatte anzuhalten, und er konnte ihr das noch nicht einmal übel nehmen. Eines stand jedenfalls für ihn fest: Wenn er sich nicht besser in den Griff bekam, würde er diesen Job nicht bis zum Ende ausführen können. Er musste es einfach schaffen, seine Hände von ihr zu lassen, ohne restlos durchzudrehen.
Finn zog den Zündschlüssel ab und sah sie an. Kira griff bereits nach ihrer Handtasche.
„Es tut mir leid“, sagte er leise. „Ich wollte vorhin nicht unhöflich sein, Kira. Es war nur … unser Gespräch über Mike hatmich ziemlich aufgewühlt, und all das steckte mir irgendwie noch in den Knochen.“ Das war gelogen und dazu auch noch unfair, weil er mit dieser Begründung eiskalt an ihr weibliches Mitgefühl appellierte, um sie wieder für sich einzunehmen, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Genau wie er es erwartet hatte, wurde Kiras Blick sofort weich. „Es ist schon gut, Finn, mach dir darüber keine Gedanken mehr.“
„Du bist mir nicht böse?“ Sein jungenhaftes Lächeln ließ ihr Herz weit werden, und sie lächelte zurück. „Nein, ich bin dir nicht böse. Komm, du darfst mir ein Bier ausgeben.“
Der Gasthof der Brockmann-Brüder war genau so, wie Finn ihn sich vorgestellt hatte. Sowohl der mächtige Tresen als auch die Bänke und Tische waren aus hellem Eichenholz. Es gab geraffte Gardinen und blau-weiße Tischdecken. Die Einrichtung war typisch und strahlte die gewohnte friesische Gemütlichkeit aus. Sie brauchten eine kleine Ewigkeit, um sich zu einem kleinen, überraschenderweise noch freien Ecktisch durchzuschlagen, denn Kira wurde von allen Seiten stürmisch begrüßt und Finn fast allen anwesenden Einwohnern der Insel vorgestellt. Torben Brockmann stand hinter dem Tresen und nickte ihnen freundlich zu.
Während Finn sich bereits auf die kleine Eckbank fallen ließ, stand Kira noch einige Meter von ihm entfernt und unterhielt sich ein wenig mit Dr. Sander, den Finn insgeheim auf mindestens achtzig schätzte.
„Na, mein Schöner, was kann ich dir denn bringen?“
Finn sah auf und blickte in die himmelblauen Augen einer auffallend hübschen Blondine mit ungezähmten Locken.
„Hallo.“ Finn grinste. „Ein Bier wäre schön. Und … für die Dame dort hinten auch eins, bitte.“
„Ah, Kira. Du bist also mit Kira hier?“
„Ja, das bin ich.“ Er reichte ihr seine Hand. „Finn Andersen.“
„Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Anna Brockmann. Meinen widerlichen großen Brüdern gehört dieser Laden hier.“
„Und du arbeitest hier?“ Er sah kurz nach Kira, aber sie stand noch immer bei Dr. Sander. Anna Brockmann folgte seinem Blick, dann sahen sie sich wieder an.
„Eigentlich nicht. Ich lebe und studiere in Hamburg, aber wenn ich schon mal hier bin, greife ich den beiden Vollidioten gerne ein bisschen unter die Arme. Dieser Laden trägt nämlich einen nicht gerade unerheblichen Anteil dazu bei, dass aus mir irgendwann einmal eine ordentliche Nachfolgerin für den alten Herrn dort hinten wird.“ Anna deutete auf Dr. Sander. „Wird Zeit, dass der gute Mann endlich seinen wohlverdienten Ruhestand genießen kann.“
„Du studierst also Medizin?“
„So ist es.“
„Alle Achtung, Goldlöckchen. Das sieht man dir nicht an.“
„Ich nehme das mal als Kompliment.“
„So war es auch gemeint.“ In stillem Einvernehmen grinsten sie sich an. Finn mochte Anna Brockmann, und das beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit.
„Hast du schon bestellt?“ Kiras Frage unterbrach ihre kleine Unterhaltung. „Hallo Anna.“
„Hallo Kira, schön, dich mal wieder hier zu sehen. Ich sprinte eben kurz nach hinten und sage Olaf, dass du da bist. Der Gute kann es kaum erwarten, dich endlich wieder an seine Brust zu drücken.“
Nachdem Kira sich zu Finn gesetzt hatte, lächelte Anna ihm noch einmal zu.
„Euer Bier kommt sofort.“
„Danke“, sagte Finn.
„Anna ist die jüngere Schwester von Olaf und Torben“, erklärte Kira, als die Kellnerin wieder hinter
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