Bernsteinsommer (German Edition)
Hamburg gelernt. Er ist der Hotelfachwirt und Olaf der Sternekoch. Ihre Eltern waren sehr stolz auf ihre Kinder.“
„Sie leben beide nicht mehr?“
„Nein. Sie sind schon vor ein paar Jahren im Abstand von wenigen Monaten gestorben. Beide hatten Krebs.“ Kira griff erneut nach ihrem Glas.
„Das ist schlimm.“ Finns Blick heftete sich auf Kiras Mund. Auf ihrer Oberlippe blieb ein wenig Schaum von dem Bier zurück, und sie leckte mit der Zungenspitze kurz darüber, um ihn zu entfernen. Eine neue Welle der Begierde erfasste seinen Körper und ließ Finn schlagartig alles andere vergessen. Die Geräusche der Gaststube, die Stimmen der anderen Menschen in diesem Raum, schienen ihn nur noch durch ein dickes Wattepolster zu erreichen. Noch während er Kira leicht benommen anstarrte, holte er geräuschvoll Atem, weil er plötzlich bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte.
„Ist was?“, wollte Kira wissen.
Finn räusperte sich. „Nein, was soll sein?“
„Ich weiß nicht, Finn, manchmal hast du einen Blick drauf, da kann einem richtig angst und bange werden. So als ob … als ob du wirklich furchtbar wütend wärest. Gerade eben hast du wieder so geguckt.“
„Tut mir leid. Ich bin nicht wütend, wenn es dich beruhigt. Nur …“, er brach ab und kippte den Rest aus seinem Bierkrug auf einen Zug in sich hinein.
„Finn?“
„Ist wahrscheinlich einfach nicht mein Tag. Ich bin hundemüde.“
„Oh, würdest du lieber gehen? Mit Olaf kann ich ja auch noch ein anderes Mal …“
„Nein, wir bleiben. Mach dir keine Gedanken. Wenn du dich jetzt noch bereit erklärst zurückzufahren, werde ich mir einfach noch ein Bier genehmigen, und ich verspreche dir, meineStimmung wird sich danach deutlich heben.“ Er setzte sein jungenhaftes Lächeln auf und zwinkerte ihr versöhnlich zu. Wenn sie schon mit diesem Brockmann reden wollte, würde er lieber dabei sein.
„Natürlich fahre ich zurück. Genieße du ruhig noch ein Bier.“ Kira schob ihren halb leeren Krug zurück und lächelte ebenfalls. „Ich steh da sowieso nicht so drauf.“
Finn wollte sich gerade erheben, um sich am Tresen ein neues Bier zu bestellen, als Anna Brockmann auch schon an ihren Tisch gerauscht kam.
„Na, ihr beiden Hübschen. Kann ich euch noch etwas bringen?“ Ihr keckes Lächeln galt allein Finn, Kira registrierte das sofort. Vor allem, weil Finn so ausgesprochen frech zurückgrinste und seine schlechte Laune ganz plötzlich wie weggewischt schien.
„Ich hätte gerne eine Cola“, sagte sie.
„Und mir kannst du noch so ein schönes großes Bier bringen, Goldlöckchen.“ Finns Grinsen vertiefte sich, und nun zwinkerte er Anna fröhlich zu.
„Ihr könnt jetzt auch rüber an den Tresen kommen“, schlug Anna vor, „es ist ja nicht mehr so viel los. Dort können wir uns alle zusammen besser unterhalten.“
Anna hatte recht, bemerkte Finn, als er sich im Gastraum umsah. Es war erheblich ruhiger geworden. In den letzten Minuten waren immer mehr Inselbewohner aufgebrochen. Am Tresen hockten nur noch eine Handvoll Männer, und an einem der anderen Tische saß Magda Quint mit einer weiteren Frau, die so ungefähr in ihrem Alter sein musste, aber viel älter wirkte. Als Finns und Magdas Blicke sich trafen, nickte sie ihm lächelnd zu. Er hob kurz seine Hand und erwiderte das Lächeln der Ladenbesitzerin.
Sie setzten sich an das ruhige Ende des Tresens und tauschten ein paar Floskeln mit Torben Brockmann aus. Einige Zeit später gesellten sich auch Anna und Olaf dazu. Anna setzte sich auf den freien Barhocker neben Finn, während Olaf bei seinem Bruder hinter dem Tresen blieb. Finn wunderte sich zwar selberein wenig darüber, aber schon nach kurzer Zeit fühlte er sich sehr wohl in dieser lustigen kleinen Runde, und er musste zugeben, dass Olaf und Torben augenscheinlich recht nette Kerle waren. Zumindest Olaf in seiner offenen Art war Finn überaus sympathisch. Torben Brockmann wirkte deutlich zurückhaltender und war somit offensichtlich der ruhigere und introvertiertere Zwilling. Dennoch war es recht unterhaltsam, wie die Brockmann-Geschwister miteinander umgingen, und die Art und Weise erinnerte ihn auch ein wenig an seine eigene Familie. Schließlich hatte er selbst einen Bruder und eine Schwester, auch wenn in seiner Familie die Schwester die Erstgeborene war.
Nachdem ihre Freundin sich verabschiedet hatte, gesellte sich Magda Quint ebenfalls zu ihnen, und Olaf überredete die ältere Frau, sich noch ein bisschen
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