Bernsteinsommer (German Edition)
von Magda bedrängt oder gar ertappt. Auch empfand er das, was sie sagte, nicht als Einmischung einer fast fremden Person in seine Privatsphäre – obwohl sie das ja zweifelsohne war. Er wusste nicht weshalb, er nahm es einfach hin. Jedoch erkannte er ohne große Anstrengung, dass er es mit einem ganz besonderen Menschen zu tun hatte und dass sich dieser Mensch, warum auch immer, ehrlich um ihn sorgte.
„Was bist du für eine Frau, Magda Quint?“, fragte er mit ruhiger Stimme. „Du kennst mich doch kaum. Warum kümmert es dich, wie es mir geht?“
Ihr Blick hielt für mehrere Sekunden den seinen fest. „Du bist ein guter Mann. Das habe ich sofort gewusst, als ich dir zum ersten Mal in die Augen sah. Ich kann auch sehen, dass du in deinem Leben schon einige üble Dinge erleben musstest – aber das ist in Ordnung, denn so geht es vielen Menschen aufunserer Erde, und ich nehme mal an, dass der liebe Gott es für uns so vorgesehen hat. Du trägst noch immer eine ganze Menge Kummer mit dir herum, und die heiße Rothaarige dort hinten auf der Tanzfläche macht dir ebenfalls tüchtig zu schaffen – auch das ist in Ordnung, denn wenn du dir endlich mal die Mühe machen würdest, genau hinzuschauen, würdest du sehr schnell feststellen, dass Kira sowieso nur noch Augen für dich hat. Wie gesagt, all das ist in Ordnung, weil du es irgendwann bewältigen wirst. Aber es ist ganz und gar nicht in Ordnung, wenn du dich selbst infrage stellst, Finn! Das Leben ist nicht immer leicht, aber man sollte es trotzdem nicht vergeuden, findest du nicht auch? Es ist nämlich, verdammt noch mal, viel zu wertvoll! Es liegt alles in deiner Hand.
So wie ich das sehe, stehst du im Augenblick an einer Art Weggabelung und hast wohl eine ziemlich wichtige Entscheidung zu treffen. Du bist ein sehr kluger und starker Mann, das solltest du dir selbst mal wieder in Erinnerung rufen. Und du bist durchaus in der Lage, Verantwortung für dein Handeln zu übernehmen, oder nicht? Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du diese Insel gebraucht hast. Es ist dein eigenes Schicksal, das dich hierher …“ Magda brach ab, denn genau in diesem Moment kamen Kira und Olaf zurück an den Tresen, und Torben setzte die frischen Getränke vor ihnen ab. Finns Blick blieb noch für mehrere Sekunden mit dem von Magda verbunden, und er bedauerte zutiefst, dass ihr Gespräch unterbrochen worden war. Insgeheim nahm er sich vor, bald noch einmal mit der Ladenbesitzerin zu sprechen, denn nun war er sich sicher, dass Magda Quint tatsächlich in seine Seele geblickt hatte. Er glaubte eigentlich nicht an Übersinnliches oder an Menschen, die derartige Fähigkeiten haben könnten, aber Magdas Worte hatten ihn berührt, sogar tief berührt. Und er verspürte das dringende Bedürfnis, noch einmal ausführlicher mit dieser Frau zu reden. Auch das war neu für ihn, denn üblicherweise machte er fast alles mit sich allein aus, zumindest seit Mike nicht mehr lebte.
Kira griff lachend nach ihrer Cola und trank sie in einem Zug fast leer. „Puh, mir ist warm!“
Finn sah sie an und lächelte. Ihre Wangen glühten, und sie sah einfach zum Anbeißen süß aus, fand er. Auch Olaf nahm erst einmal einen großen Schluck von seinem Bier. „Ich sag euch, unsere Prinzessin hier hat nichts verlernt.“
Leben nicht vergeuden …
Weggabelung …
Entscheidung treffen …
„Lass uns gehen.“ Finns dunkle Stimme klang gedämpft, aber sehr bestimmt, und sein eindringlicher Blick ruhte fest auf Kiras Gesicht. Sie sah ihn an und atmete so tief ein, dass es fast einem Seufzen glich. Das leise Geräusch ließ Finn innerlich erschauern.
„Ja“, erwiderte sie schlicht. „Ich … gehe unsere Jacken holen.“
Der eindringliche Ausdruck in seinen dunklen Augen verursachte unter Kiras Bauchdecke ein Desaster. Schnell wandte sie sich ab, um tatsächlich die Jacken zu holen, die an einem Holzständer neben der Eingangstür hingen. Finn erhob sich. „Torben, ich möchte zahlen. Es wird langsam Zeit für uns.“ Insgeheim lächelte er über die eigene Formulierung. Intuitiv suchte er noch ein weiteres Mal den Blick von Magda. Sie lächelte wissend und nickte dann. „Einen schönen Abend noch.“
„Ebenso“, sagte er und legte kurz seine Wange an die der älteren Frau. „Ich melde mich in den nächsten Tagen mal bei dir. Ist das für dich in Ordnung, Magda?“
„Natürlich. Ich warte darauf.“
„Eure Zeche geht heute aufs Haus, Finn. Sozusagen als Willkommensgruß. War wirklich
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