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Bernsteinsommer (German Edition)

Bernsteinsommer (German Edition)

Titel: Bernsteinsommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schomann
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galt.
    Dieser Kindergeburtstag! Vielleicht hatte der Kindergeburtstag alles durcheinandergebracht.
    Mike war nachmittags eingefallen, dass er wie üblich seine Waffe im Büro gelassen hatte. Lena sah es nicht so gern, wenn er die Pistole mit nach Hause brachte. Während der Geburtstagsfeier seines Sohnes wollte Mike das Haus natürlich nicht mehr verlassen, also einigten Finn und er sich kurzerhand darauf, dass Mike direkt vor dem Einsatz noch einmal ins Büro fahren sollte, um die Waffe zu holen. Das Kommissariat lag unweit vom Hafen entfernt. Finn würde mit seinem eigenen Auto hinterherfahren, um es dann an der Dienststelle abzustellen. Seine Wohnung lag schließlich ebenfalls in Hafennähe, und es wäre einfach ein Riesenumweg gewesen, den Wagen später wieder bei Mike abzuholen.
    Kurz nach dem Abendessen brachte Mike schnell den ganzen Müll raus, der vom Kindergeburtstag übrig geblieben war. Dann bereiteten sich die beiden Freunde auch schon darauf vor, das Haus zu verlassen.
    Bei der Erinnerung drehte sich Finn noch heute der Magen um. Er hörte Mike deutlich sagen: „Tu mir den Gefallen und hilf Lena eben noch, das ganze Geschirr in die Küche zu schleppen, Finn. Ich muss ja ohnehin erst mal rauf ins Büro. Wir treffen uns dann unten auf dem Parkplatz vor der Dienststelle, okay?“ Finn hatte sich ohne Weiteres darauf eingelassen: „Stets zu Diensten, Kollege.“ Er dachte daran, wie er bei der Gelegenheit noch ein paar Albernheiten mit Lena ausgetauscht hatte, um seinen Freund ein bisschen zu ärgern, und Mike hatte gelacht, als er gegangen war. Keine fünf Minuten später hatte sich dann auch Finn von Lena verabschiedet.
    Er schüttelte sich kurz, um die quälenden Gedanken wieder zu vertreiben, und doch waren da immer wieder dieselben Fragen in seinem Kopf.
    Warum …
    Er hatte natürlich sofort bemerkt, dass der linke Vorderreifen seines Autos vollständig platt war. Der Wagen hatte direkt unter einer Laterne gestanden, und das Malheur war kaum zu übersehen gewesen. Intuitiv hatte er als Erstes nach dem mobilen Funkgerät gegriffen und Mike angerufen, um ihn über die Lage zu informieren. Sie hatten kurz beratschlagt, ob Mike ihm einen Wagen schicken sollte, ob Finn sich ein Taxi rief oder einfach den Reifen wechselte – und waren sehr schnell zu dem Schluss gekommen, dass das Wechseln des Reifens die einfachste und letztlich auch die sicherste Methode sei, damit Finn noch rechtzeitig zum Einsatz vor Ort sein konnte.
    Finn hörte sich in Gedanken noch immer die Worte sagen: „Du wartest auf mich, hörst du, Mike! Du wartest! Komm ja nicht auf die Idee, da alleine aufzulaufen, klar? Ich bin gleich da, hörst du?“
    Dann war die Verbindung unterbrochen worden, und weil Finn nicht noch mehr Zeit verlieren wollte, hatte er sofort mit dem Reifenwechsel begonnen. Er war an jenem Tag wirklich unglaublich schnell gewesen, und doch erschien ihm jede Minute wie eine verdammte Ewigkeit. Schließlich fuhr er los, als wäre Satan persönlich hinter ihm her – und trotzdem blieb ihm schon kurze Zeit später nur noch die grausame Erkenntnis, dass er versagt hatte.
    Immerzu hatte er sein Bestes gegeben, um Mike zu beschützen, denn sein Freund war ja derjenige mit Familie, mit einer Frau, die ihn liebte und zu Hause darauf wartete, dass er wieder zu ihr zurückkam.
    Stets hatte Finn dafür gesorgt, dass er und nicht etwa Mike es war, der voranging, wenn es wirklich gefährlich wurde.
    Aber dieses Mal hatte er Mike nicht beschützen können, denn er war zu spät gekommen – zu spät, weil er eine der wichtigsten Regeln seines Berufes nicht beachtet hatte: Jeder Polizeibeamte war dazu angehalten, rechtzeitig vor einem Einsatz seine Ausrüstung zu überprüfen. Natürlich hatte Finn nochseine Waffe kontrolliert, natürlich wusste er, dass er das mobile Funkgerät erst am Vormittag getestet und dann in seinem Wagen deponiert hatte, aber das war nicht genug gewesen, um Mike das Leben zu retten. Wäre er nur ein paar Minuten früher vor die Tür gegangen, würde Mike heute noch leben, denn dann hätte Finn sich wie immer als Erster der Gefahr ausgesetzt, dafür hätte er schon gesorgt.
    Doch so hatte er Mike nicht mehr an der Dienststelle angetroffen, als er sie endlich erreichte. Ein uniformierter Kollege stand auf dem Parkplatz bereit, um Finn mitzuteilen, dass Mike doch schon vorweggefahren war, um den zeitlichen Ablauf des Einsatzes nicht zu gefährden – und Finn wusste, dass er an Mikes Stelle

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