Bernsteinsommer (German Edition)
still in der Leitung, aber damit hatte Christina schon gerechnet. So wartete sie am anderen Ende geduldig ab, bis Kira über ihre Worte nachgedacht hatte.
„Okay, du hast also deine Meinung geändert und glaubst jetzt doch, ich sollte ihm noch ein bisschen mehr Zeit geben?“
„Ich meine nur, man sollte die Geschichte von allen Seiten betrachten und dabei auch alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, mehr nicht. Wie du siehst, habe ich unterdessen wirklich über dein Problem mit diesem Typen nachgedacht, Schätzchen. Wenn man es genau betrachtet, würde es für dich doch nicht wirklich einen Unterschied machen, wenn du ihm noch eine Chance einräumst. Ich meine, wenn es um deine Gefühle für den Mann geht. Du liebst ihn, so oder so, was macht es da schon aus?“
„Du hast recht.“
„Herrje, wie viele Jahre habe ich gebraucht, um diese Worte einmal aus deinem Mund zu hören!“ Kira konnte an Christinas Stimme hören, dass sie lächelte. „Ernsthaft, es ändert doch nichts mehr, Kira. Selbst wenn wir falschliegen sollten und der Typ nichts für dich empfindet, was über den Sex hinausgeht … na, dann kannst du das Zusammensein mit ihm immerhin auf dieser Ebene noch ein bisschen länger auskosten, nicht wahr?“
„Letzte Nacht … das war wie im Traum, Tina. Aber eigentlich ist es das jedes Mal.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“
„Okay, ich werde ihn heute ein bisschen im eigenen Saft schmoren lassen und mich dann irgendwann morgen wieder bei ihm melden, was meinst du?“
„Guter Plan, Prinzessin.“
„Hmm.“ Lukas Andersen schüttelte seinen Kopf. „Da hast du dir aber wirklich eine feine Suppe eingebrockt, mein Großer.“
Finn lachte. „Glaub mir, wenn ich nur die Zeit um ein paar Tage zurückdrehen könnte …“
„Dann würdest du genauso noch einmal in die Falle tappen, Finn!“, unterbrach Lukas seinen Bruder und lächelte.
Finn raufte sich mit beiden Händen das Haar, dann fluchte er laut und ziemlich unflätig auf. „Ich brauche eine Zigarette! Wo, zum Himmeldonnerwetter, sind meine Zigaretten?“
Lukas erhob sich, ging kurz zum Couchtisch hinüber und warf Finn anschließend die angebrochene Packung zu, die sein Bruder gestern Abend dort liegen gelassen hatte, bevor er zu Kira gefahren war. Finn Andersen war seit Jahren nur noch ein Gelegenheitsraucher. Normalerweise kam er mit einem Päckchen Zigaretten fast eine Woche aus, doch seit er Kira begegnet war, schien sein Nikotinbedarf täglich anzusteigen.
„Du solltest das endlich ganz sein lassen“, mahnte Lukas, nachdem Finn sich einen Glimmstängel angezündet hatte und den Rauch tief und gierig inhalierte. „Das macht dich auf Dauer nur kaputt.“
„Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!“ Finn ließ seinenKopf in den Nacken sinken und atmete durch. „Tut mir leid, Lukas, war nicht so gemeint – meine Nerven liegen momentan etwas blank.“
„Schon okay. Du solltest vielleicht mal versuchen, deinen Kopf freizukriegen.“
„Eigentlich eine ziemlich gute Idee, kleiner Bruder. Sport wäre gut. Himmel, ich vermisse meine Hanteln! Morgen früh gehe ich auf jeden Fall laufen. Aber … was hältst du davon, wenn wir zunächst mal zusammen ein bisschen an die Luft gehen und uns den Wind um die Nase wehen lassen? Später können wir ja dann im Gasthof noch ein Bierchen zischen, wenn uns danach ist. Na, was meinst du?“
Lukas grinste. „Vorschlag zur Güte, Finn: Geh du eine Stunde an die Luft und hol mich später ab, zu dem Bier sag ich nicht Nein. Ich habe wirklich noch ein bisschen zu tun und will unbedingt fertig werden.“
„Du bist ein unverbesserlicher Streber, Luki.“
„Ich weiß, aber ich bin da gestern im Internet auf etwas gestoßen, das würde ich wirklich gerne noch ein bisschen genauer recherchieren.“
„Okay, dann kümmere du dich um deine Nachforschungen, und ich mach mich auf, ein bisschen Seeluft zu schnappen.“
Finn entschied sich dieses Mal für den Weg am Strand entlang, um einen weiteren Besuch an der Nordspitze zu machen. Er wollte auf keinen Fall wieder oben auf dem Deich laufen und riskieren, Kira erneut zu sehen oder gar von ihr bemerkt zu werden.
Der Strandstreifen von Sameland war nicht besonders breit, an den meisten Stellen der Insel sogar so schmal, dass noch nicht einmal ein ausgebreitetes Badetuch dort genug Platz finden würde. Für einen bequemen Spaziergang jedoch reichte es durchaus.
Als Finn schließlich die Nordspitze erreichte, war es schon fast Mittag, denn der
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