Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Vollbeschäftigung veröffentlichte, widmete er dem Thema »Beschäftigungssysteme im Vergleich« ein ganzes Kapitel und fasste das Ergebnis mit der Formulierung »Die Illusion der ›besten Praxis‹« zusammen.
Das Buch wirkt, als wollte er für sich nachholen, was ihm unter der Aufsicht und Bearbeitung der Bertelsmann Stiftung nicht ganz gelungen war – nämlich die Grenzen des Benchmarking noch deutlicher zu machen. Er selbst stellt in seinem Buch allerdings auch einen dieser Vergleiche an, nämlich mit den Niederlanden. Das war das Land, das die Stiftung immer wieder als Modell für Zeitarbeit und flexiblere Arbeitsformen empfahl. Schmid hatte das Beispiel nicht zufällig gewählt und er ging in seiner Analyse differenzierter vor als die Autoren der Bertelsmann Stiftung. Diese hatten den Ausbau der Zeitarbeit empfohlen, aber sie übergingen dabei, dass die Niederlande die hohe Akzeptanz der geringfügigen Beschäftigung erreicht hatten, indem sie – im Gegensatz zu Deutschland – ihr soziales Sicherungssystem ausgebaut hatten. Diese Sicherung, analysierte Schmid, liege in den Niederlanden eindeutig höher als in Deutschland. Arbeitnehmer seien dort unabhängig von der Dauer der Beschäftigung sozialversicherungspflichtig und hätten daher einen Rentenanspruch. Schmid bezeichnet den Ausbau der sozialen Sicherung als Voraussetzung des niederländischen Jobwunders. Denn erst die Sicherung ermögliche den Niederländern die Übernahme von riskanten und flexiblen Arbeitsverhältnissen wie Teilzeitarbeit, Kurzarbeit und Zeitarbeit. Als ebenfalls notwendige Voraussetzung erachtet er »die Orientierung der Alterssicherung am durchschnittlichen und nicht am letzten Einkommen«.
Warum spielte dieser Ausbau und die Garantie grundlegender sozialer Sicherung im Benchmarking-Bericht keine Rolle? Warum hatte Schmid nicht schon bereits im Benchmarking-Bericht 2001, sondern erst in seinem eigenen Buch 2002 auf die Bedeutung einer Volksrente hingewiesen? Das sei ein Mangel des Benchmarking-Berichts, stimmt Schmid zu, ein solcher Hinweis wäre sinnvoll und nötig gewesen. Er kann sich den Fehler nur damit erklären, dass er, Schmid, erst zu einem Zeitpunkt in die Arbeitsgruppe kam, zu dem die Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung den Benchmarking-Bericht bereits geschrieben hatten und keine Ergänzung oder Korrektur mehr möglich war.
Die fünf Wissenschaftler haben die Endfassung abgezeichnet. Es sei nicht so, dass die Namen der Wissenschaftler draufstehen und der Inhalt der Stiftung in dem Bericht drin ist, sagt Schmid, so weit könne man nicht gehen. In der Tat: Benchmarking Deutschland ist differenziert (mehr als Studien und Schriften der Bertelsmann Stiftung) und wurde wissenschaftlich begleitet. Aber was die Form und die Erarbeitung betrifft, so ist es ein Bericht der Bertelsmann Stiftung, der unter Mitwirkung und unter dem Namen der Wissenschaftler veröffentlicht wurde. Natürlich ist derjenige, der das Manuskript erstellt und dem Inhalt seine Form gibt, in der Lage, das Geschriebene subtil zu beeinflussen. Auch Wissenschaft hat Spielräume, besonders wenn fünf Wissenschaftler diskutieren und unter Zeitdruck stehen.
Schmid sagt im Rückblick über seine Erfahrung als wissenschaftlicher Berater, Politiker benötigten genau wie Unternehmenschefs Legitimation, wenn sie Leute einstellen, Dinge verändern oder Reformen empfehlen. Wissenschaftliche Einwände, die das Benchmarking hinterfragten, würden dann gerne beiseite geschoben.
1999 schrieb der Spiegel über das Bündnis für Arbeit, das den Auftrag zur Benchmarking-Studie erteilt hatte, eine Titelgeschichte und bezeichnete es als »Schröders Denkfabrik«. Im Rückblick muss man sich fragen, ob nicht die Bertelsmann Stiftung Schröders eigentliche Denkfabrik war. Vieles spricht dafür. Jetzt saß sie nicht mehr nur im Bundespräsidialamt und beriet Politiker, wie sie ihre Reden formulieren sollen. Jetzt wurde Politik gemacht. Unter Kohl war Mohn das nicht gelungen. Aber jetzt, unter dem neuen Kanzler Gerhard Schröder, war die Stiftung dort angekommen, wo Mohn sie immer haben wollte: als Berater der Regierung.
Den Empfehlungen und Ergebnissen des Berichts Benchmarking Deutschland schenkte Kanzler Schröder zunächst noch keine große Aufmerksamkeit. Die Bedeutung des Berichts liegt darin, dass er zur Grundlage für den nächsten Schritt wurde: Hartz IV.
Wie die Stiftung die Hartz-Kommission beeinflusst
Richard Green, 49, ist seit sechs Monaten arbeitslos. Er
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