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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schuler
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Arbeitslose ist ein Kunde König, also wird er entsprechend behandelt«, wie Lesch es formuliert. Die Wartezeit darf nicht länger als zehn Minuten betragen, dann muss Richard Greens Vermittler Adrian Christopher seinen Kunden – wieder überaus freundlich und mit Handschlag – im Wartebereich abgeholt haben. Das Kalkül dabei laute: Wer sich als Kunde und dabei wohl fühlt, der sei aktiver und habe mehr Lust, in Datenbanken nach Weiterbildungsmöglichkeiten zu suchen. Die Initiative sei im reformierten britischen System die Voraussetzung für Leistungen. Wenn Richard Green nicht bei seinem Berater erscheinen würde, könnte ihm die Unterstützung gekürzt werden. Der Berater nehme sich alle zwei Wochen für ihn Zeit und sei telefonisch jederzeit für ihn erreichbar. Das funktioniere, erklärt Lesch, weil jeder Berater sich nur um jeweils acht Kunden kümmern müsse. In Deutschland dagegen betreue ein Berater 300 bis 1 000 Arbeitssuchende und habe für keinen von ihnen wirklich Zeit.
    Aber selbst bei den wenigen Kunden werde die Erreichbarkeit nicht dem Zufall überlassen, sondern von einem sogenannten Mystery Shopper überprüft. Wir sehen einen der anonymen Tester, wie er einen Vermittler anruft. Die Maximalvorgabe schreibe vor, dass der Berater nach 20 Sekunden ans Telefon gegangen sein muss. Entstanden sei ein gläsernes Arbeitsamt. Der Vermittler äußert sich positiv zum Tester, denn der kontrolliere doch alle Vermittler, und wenn sich alle korrekt verhielten, sei er keine Bedrohung. Findet der Vermittler trotz dieser guten Betreuung keinen Job für Richard Green, dann könnte ihn eine private Firma beschäftigen und ihn qualifizieren. Dahinter steht der Gedanke des Förderns, der das Fordern ergänzen soll. Fördern und Fordern, das sind auch die Elemente von Hartz IV.
    Autor Lesch betont: Großbritannien habe einen New Deal abgeschlossen. Ziel seien pragmatische Lösungen für eine Arbeitslosenquote, die 1993 bei 10,2 Prozent lag. New Deal bedeute, Leute aus der Sozialhilfe in bezahlte Arbeitsverhältnisse zu bringen, auch wenn sie nur den gesetzlichen Mindestlohn verdienten. Viele der Arbeitssuchenden seien Immigranten und hätten Probleme mit dem Lesen und Schreiben – folglich auch mit Bewerbungen. Trooper sagt, dass das System grundsätzlich gut funktioniere und dass die Regeln, die die Leute zwingen, aktiv zu werden, ziemlich strikt seien. Nicht alle seien hoch motiviert. Hindernisse herauszufinden, die der Arbeit im Weg stehen, das sei Aufgabe der Vermittler, wie sie Lesch versichern: »Wenn sie nicht wissen, wie man sich bewirbt, helfen wir ihnen, Lebensläufe zu schreiben.« Die Jobcenter seien das Kernstück der Reform. Sie verbinden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. »Es geht um Rechte und Verantwortung«, betont Trooper. New Deal, so fasst Marcus Lesch in seinem Bericht zusammen, das bedeute »mehr Chancen für jeden« – Arbeitssuchende und Arbeitgeber. 60 000 Briten seien in den vergangenen drei Jahren erfolgreich vermittelt worden.
    Wie viel Geld die Bertelsmann Stiftung für die Produktion des Videos in die Hand genommen hat, will sie nicht sagen. Mehrwöchige Vorbereitungen und Dreharbeiten in drei Ländern, Schnitt und dazu ein aufwendig gestaltetes Begleitheft gehören dazu. Ihren Autor Lesch bezeichnete die Stiftung als Journalisten. Dabei hatte die Stiftung natürlich keinen Beitrag im Sinne, der nach journalistischer Unabhängigkeit verlangt. Man erfährt am Ende nicht einmal, ob Green tatsächlich eine Arbeit gefunden hat. Es ging Lesch und der Stiftung um die schöne Welt der Jobvermittlung, nicht um Mühen und Probleme der Betroffenen. Nicht um Wirklichkeit, sondern um eine Wunschwelt. In ihrer Publikation stellte die Stiftung Lesch aber als freien Journalisten dar, und damit so, als agiere er unabhängig. Dabei führte er für die Stiftung de facto einen PR-Auftrag aus.
    Das Video, das den Titel Arbeitsverwaltung im Umbruch. Impressionen aus Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden trug, setzte in Bilder um, was die Stiftung seit vielen Jahren in Studien und Debatten Politikern nahezubringen versucht hat. Dem Beispiel aus Großbritannien folgten Beispiele aus den Niederlanden und aus Dänemark in ebenso optimistischem Ton. Wie viele dieser Videos die Stiftung 2002 an wen verschickt hat, lasse sich nicht rekonstruieren, behauptet die Stiftung. Dabei müsste es dazu Unterlagen geben, denn die Stiftung verkaufte das 42 Minuten lange Video offiziell zusammen mit einer 44

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