Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Seiten umfassenden Broschüre für 33 Euro. Darüber hinaus gab Frank Frick einen 250 Seiten starken Band über Arbeitsverwaltungen im Wandel für 18 Euro heraus, in dem 15 Länder verglichen werden. Doch es ging der Stiftung nicht um den Verkauf, sondern darum, die Ideen in Politik, Wissenschaft und bei den zuständigen Fachleuten unterzubringen. Deshalb verschickte sie die Materialien vermutlich kostenlos an sogenannte Entscheider in Ministerien, Behörden und Parteien, an Wissenschaftler und Politiker. Video, Begleitheft und Buch enthielten die Rezepte, die die Stiftung erfolgreich in die Hartz-Kommission einbrachte.
Stefan Empter und Frank Frick steuerten die Debatte im Sinne der Bertelsmann Stiftung. Empter, Jahrgang 1958, hatte in Augsburg Volkswirtschaft und in Hagen Sozialwissenschaften studiert und arbeitete seit den achtziger Jahren bei der Stiftung. Frick, Jahrgang 1964, hatte in Bonn und Berlin Politik studiert und kam 1994 zur Bertelsmann Stiftung. Empter arbeitete seit Jahren in diesem Themenfeld. Er leitete den Bereich Wirtschaft und Soziales und hatte Mohn einige Jahre zuvor geholfen, die richtigen Leute an einen Tisch zu bringen, um ein Institut für die Reform des Hochschulwesens zu gründen. Jetzt ging es um die Reform des Arbeitsmarktes. Leute wie Empter sind weniger Spezialisten für Themen als Spezialisten für Reformen, dafür, wie man Entscheider an einen Tisch holt, Ideen verbreitet und Strukturen aufbricht. Empter agierte unauffällig und mit seinem Schnauzer wirkte er wie ein Beamter. Er gilt als freundlich und zurückhaltend, als ernsthaft und sympathisch.
Frick dagegen gilt als Aufschneider. Als selbstbewusst und laut beschreiben ihn Leute, die ihn erlebt haben. Er trägt modische Weste zur Krawatte, wenn er vor die Presse tritt. Bilder zeigen stets ein Lachen, das man zu hören glaubt, und er scheint es bewusst einzusetzen. Frick gilt als einer, der zuversichtlich Dinge sagt, die radikal alles auf den Kopf stellen, und der sich dabei sichtbar gut fühlt. Ein Reformer, der die Macht der Reform genießt. Suchte man einen Homo Bertelsmanensis in der Stiftung, einen typischen Vertreter, dann würde man bei Empter und Frick landen. Erfolgreich ist die Kombination, mit der sie Gesprächspartner in Ämtern, Ministerien und Medien für sich und ihre Ideen gewinnen: Der eine zurückhaltend und ernsthaft, der andere selbstbewusst, aufschneiderisch und glatt – beide freundlich und verbindlich im Ton.
Die Reform des Arbeitsmarktes war über viele Jahre ihr gemeinsames Thema. Sie produzierten Studien und Broschüren, luden zu Tagungen, holten Fachleute aus dem Ausland zu Vorträgen und organisierten im In- und Ausland Besichtigungen von Modellprojekten vor Ort. So war es auch Frick, der das Video über Arbeitsverwaltung im Umbruch « anfertigen ließ. Die Bundesregierung plante 2002 für die Bundesrepublik tiefgreifende Veränderungen. Die Arbeitsämter sollten in Jobcenter umgewandelt werden, Personalserviceagenturen sollten gegründet werden und Schwarzarbeit sollte legalisiert und in gering besteuerte Selbstständigkeit umgewandelt werden. »Um diese Reformen durchzusetzen, bedarf es der Unterstützung und des guten Willens aller arbeitsmarktpolitischen Akteure«, schrieb Frick. »Wir möchten Sie gewinnen für eines der spannendsten und – sofern es gelingt – für alle Beteiligten gewinnbringendsten Reformprojekte des jungen Jahrtausends: Für den erfolgreichen Abbau der Arbeitslosigkeit. Es geht um die Zukunft von vier Millionen Deutschen und damit um die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt.« 5
Für alle Beteiligten? Wenn das zuträfe, hätte es nicht eine jahrelange Debatte geben dürfen, die eine neue Partei ins Leben und eine alte Partei ums Regieren brachte. Eines immerhin wird sich bewahrheiten: Es ist das größte Reformprojekt der Nachkriegszeit, das die Bertelsmann Stiftung auf den Weg brachte und in ihrem Sinne begleitete.
2002 feierte die Stiftung ihr 25-jähriges Bestehen und die Arbeitsreformen wurden in Gütersloh als Erfolg gewertet. Als »Reform-Lehrstück« feierte das Magazin Forum der Bertelsmann Stiftung Ende 2002 den »Weg zum Erfolg der Hartz-Kommission« und widmete dem Thema einen Schwerpunkt im Heft. Man war stolz auf den Einfluss der Stiftung auf die Hartz-Kommission und der PR-Chef der Bertelsmann Stiftung Reinhard Fröhlich betonte: »Die Hartz-Kommission nutzte bereits Ideen und Informationsmaterial unserer Stiftungsexperten – beispielsweise aus dem
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