Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Gebühren entscheiden«, sagte er, »nur darum ging es bei der Umfrage.« Eine Umfrage für den Uni-Spiegel , die zwischen Pro und Contra unterschied, ergab, dass 69 Prozent der Befragten Gebühren grundsätzlich ablehnten.
Inzwischen haben fast alle Bundesländer Studiengebühren eingeführt. Das CHE war dafür nicht alleine verantwortlich. Eine große Rolle spielte auch ein Verbot der Bundesregierung für Studiengebühren; die Länder fühlten sich dadurch geradezu aufgerufen, Gebühren einzuführen. Heute sagt Müller-Böling, die Debatte um Studiengebühren habe viel Aufmerksam erfahren, aber viel wichtiger sei gewesen, die Ordnung aufzubrechen und Hochschulräte durchzusetzen. 8 Diese Räte – nicht mehr der Senat – bestimmten die Rektoren, was zu mehr Professionalisierung und zu mehr Freiheit in der Budgetplanung geführt habe. Um diese Räte durchzusetzen, habe das CHE Konferenzen durchgeführt und Beispiele aus dem Ausland präsentiert.
Die Aufmerksamkeit brachte dem CHE auch viel Kritik und den Ruf der »Bertelsmannisierung der Hochschulpolitik« ein. Im Mai 2000 griff Detlef Müller-Böling diesen Vorwurf selbst in einem Newsletter des Institutes auf. »Wenn man Reformen anstößt, dann eckt man an. Denn Änderungen können nicht jedem recht sein.« Es gehe nicht darum, neue Vorschriften zu machen. Vielmehr bedeute ein Paradigmenwechsel im Hochschulbereich, vieles nicht mehr im Detail festzulegen. »Gesetze werden entschlackt, Experimentierklauseln eingeführt, Freiräume für Handeln entstehen. Sein Credo hieße: Neues probieren. »Experimentieren ist für Wissenschaftler nichts Neues, in der Hochschulpolitik wohl.« 9
Dann kommt Müller-Böling auf einen zentralen Punkt zu sprechen, der einen der Hauptkonfliktpunkte darstellt: »Eine Institution wie das CHE wird nur dann seine gesellschaftliche Funktion wirkungsvoll erfüllen können, wenn sie unabhängig ist. Unabhängig von den Parteien, unabhängig von den hochschulpolitischen Interessenverbänden, unabhängig aber auch von unmittelbaren Direktiven der Gesellschafter.« Müller-Böling beeilte sich zu versichern: »Bisher ist dies der Fall gewesen. Insofern ist der Vorwurf der ›Bertelsmannisierung‹, ob er sich auf das Wirtschaftsunternehmen oder die Stiftung beziehen mag, aus der Luft gegriffen.« Keinesfalls sei er der heimliche Bildungsminister, als der er wiederholt in Zeitungen und Radiosendungen bezeichnet werde. »Was das CHE tut, ist weder heimlich noch geheim. Der Stil unserer Arbeit ist: Reformimpulse schaffen durch konkrete Modelle und Vorschläge, die von Hochschulen oder den Politikern aufgegriffen oder verworfen werden können. Denn sie sind ohne Zweifel die legitimierten handelnden Akteure.« Das CHE verstehe sich als Wachhund und will »ein wachsames Auge« auf die Reformentwicklung werfen und Sackgassen, die das eigentliche Ziel verfehlen, »deutlich benennen«.
Müller-Böling schreibt, dass es keine direkten Direktiven gäbe. Das stimmt aber nur zum Teil, denn Müller-Böling hat vor und während der Gründung ganz klare Direktiven erhalten. Das CHE erhielt seine grundsätzliche Ausrichtung im Auftrag von Reinhard Mohn, der sie wiederum auf seine Erfahrungen mit der Bertelsmann AG zurückführte. Die Direktive lautete: Wettbewerb. Auf diese Kritik antwortet Müller-Böling, indem er sein Verständnis von Stiftungen erläutert. Stiftungen sollten aufbrechen und neue Ideen zulassen, sie sollten Gedanken durchspielen. Ihm und dem CHE werde von Kritikern unterstellt, die Demokratie auszuhebeln. »Das stimmt in keinster Weise. Die Kontakte zum Medienkonzern haben wir nie genutzt.«
Im Gegenteil habe er darauf geachtet, in vielen Zeitungen zu schreiben und vorzukommen. »Vorsicht, nicht zu sehr in Bertelsmann-Medien zu erscheinen, war gar nicht notwendig. Der Zugang zu Entscheidern lief nie über die Stiftung, sondern über eigene Kontakte – etwa zum Wissenschaftsminister. Wir sind in ganz Deutschland tätig und wir arbeiten mit allen Parteien zusammen – ob den Grünen in Hamburg, der CSU in Bayern. Es gibt keine Präferenzen.« Die entscheidende Frage aber für die Berechtigung der Kritik sei doch diese: »Haben wir unsere Ziele mit unlauteren Mitteln erreicht? Ich denke nicht.«
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