Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
das neue Gesetz habe die »Eigenverantwortung der Hochschulen« gestärkt, entpuppe sich jedenfalls »als regierungsamtlicher Zynismus«. Die Autonomie von Forschung und Lehre sei in akuter Gefahr, denn der Konflikt an der Siegener Uni sei exemplarisch, betont Kreimeier.
Die Kompetenz der Räte werde von vielen Hochschulangehörigen angezweifelt. »Da sich die Räte teilweise komplett aus hochschulexternen Mitgliedern zusammensetzen, regieren neuerdings universitätsferne, mit der Logik der Wissenschaften kaum vertraute Repräsentanten des ›gesellschaftlichen Umfelds‹ in existenzielle Belange der Hochschulen hinein. Kreimeier beklagt: »Unsere Hochschulen haben sich in Wirtschaftsunternehmen verwandelt und sollen sich den Gesetzen des ökonomischen Wettbewerbs und eines technokratischen Effizienzdenkens fügen.« In den Hochschulräten der Eliteuniversitäten säßen nun der Unternehmensberater Roland Berger und der Chef der Münchener Rück Nikolaus von Bomhard (LMU München), BMW-Chef Norbert Reithofer und Susanne Klatten (TU München), Daimler-Chef Dieter Zetsche und Stefan Quandt, Vizeaufsichtsrat bei BMW (Uni Karlsruhe). Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum ergab 2007, dass die Mitglieder externer Hochschulräte mit jeweils einem Drittel aus der Wirtschaft und Wissenschaft rekrutiert werden, wobei auf Seiten der Wirtschaft die Vertreter von Großunternehmen dominieren. Gewerkschaften sind so gut wie nicht vertreten.
Hochschulberatung als Geschäft
Wirtschaftliche Interessen hielten auch beim CHE Einzug. 2001 gründete Müller-Böling als Ableger das Unternehmen CHE Consult. Die Trennung geschah nicht ganz freiwillig. Die Finanzbehörden hatten das Modell der Beratung der CHE infrage gestellt. Schließlich bot das CHE Beratung, die auch Unternehmensberatungen wie McKinsey und Berger anbieten. Mit ihnen konkurrierte das CHE, zahlte aber keine Steuern. Die Finanzbehörden drängten daher das CHE, die Strukturen den Gegebenheiten anzupassen. Bis 2006 bestand CHE Consult nur aus einem Geschäftsführer, dann plötzlich erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter rapide. Was war geschehen? War der Bedarf an Beratung plötzlich so sehr gestiegen? Ein Grund für den Wechsel von Mitarbeitern des CHE zu CHE Consult war die Ankündigung der Bertelsmann Stiftung gewesen, zum 1. Januar 2007 das Budget zu kürzen. Heute arbeiten die Hälfte der Mitarbeiter des CHE bei CHE Consult. Der Unterschied zwischen CHE und CHE Consult ist der, dass der kommerzielle Arm nur Projekte übernimmt, die zu 100 Prozent durchfinanziert sind – einige Ministerien und Hochschulen finanzieren einzelne Projekte.
Die Geschäfte zwischen CHE Consult und der gemeinnützigen CHE sind aber nicht getrennt. Sie teilen sich das Gebäude, die Website, das Personal, vielleicht auch das Geld. So genau weiß man das nicht. Chef ist Müller-Böling, der also vom gemeinnützigen zum kommerziellen Beratungsarm gewechselt ist. Wenn eine Länderregierung Rat sucht, dann wird CHE Consult um eine Stellungnahme gebeten. Müller-Böling spricht von »völliger Transparenz«, jedoch ist unklar, wo die Trennlinien zwischen der gemeinnützigen und der kommerziellen CHE verlaufen. Die Situation des CHE spiegelt somit den Interessenkonflikt, den die Stiftung durch die Personalunion von Aufsichtsräten der AG und dem Vorstand der Stiftung pflegt.
Anfangs hatte Müller-Böling ein vierteljährliches Routinegespräch mit Reinhard Mohn, in dem er Mohn über Fortschritte berichtete. Mohn war zufrieden und vermutlich deshalb habe er die Verantwortung an seine Vorstände delegiert – erst Wössner, dann Schulte-Hillen, dann Meffert, schließlich Meier. »Alle haben mir vertraut«, sagt Müller-Böling. »Ich musste nie schriftlich berichten und die Stiftung hat mir nie in operative oder strategische Entscheidungen reingeredet.« Wie viel Geld er in all den Jahren von der Stiftung erhalten hat, könne er nicht genau sagen, zuletzt waren es maximal 2,6 Millionen Euro im Jahr.
7. Dem Bürger stets zu Diensten? Die Privatisierung der öffentlichen Verwaltung
Ein wichtiges Thema der Stiftung ist es, die Effizenz von Verwaltungen zu messen. Eigentlich eine gute Sache, die Vergleiche sollen Verwaltungen bürgerfreundlicher machen. So hat die Stiftung 1998 gemessen, wie viel Zeit Ämter für eine bestimmte Aufgabe benötigen. Wie lange dauert es, einen Ausweis auszustellen oder um einen Bürger umzumelden? Wie viel Zeit wird für Auskünfte verwendet? Die Stiftung
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