Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
in Konkurs gehen. Als sich Bertelsmann verschuldete und die Musiksparte und andere Teile veräußerte, um die Aktien von Frère zurückzukaufen, schien sich allerdings niemand um die Arbeitsplätze zu sorgen. Dabei kann man sehr wohl fragen, ob der Rückkauf und die Verschuldung wirklich nötig waren. Das Geld, das die Mohns der Stiftung vorenthielten, haben sie eingesetzt, um den Rückkauf der Aktien zu finanzieren. Welchem Interesse der Allgemeinheit wurde damit gedient? Keinem, doch jenen der Familie Mohn sehr wohl, weil ihr Unternehmen wuchs. Bertelsmann argumentiert, der Rückkauf nütze langfristig der Stiftung. Dem wäre zuzustimmen, wenn sie unabhängig wäre.
Mohn hat den Leitgedanken »Eigentum verpflichtet« für sich und seine Stiftung so uminterpretiert, dass er sein Eigentum einsetzen kann, um seine Interessen durchzusetzen. Seinen angeblichen Einsatz für das Gemeinwohl definierte er in einem Informationsvideo, das die Stiftung auf ihrer Website präsentiert, ganz frei und offen als Einsatz für das, was er persönlich für richtig erkannt habe: »Wenn man in der Verfassung den Grundsatz stehen hat, dass Eigentum verpflichtet oder dass Verantwortung verpflichtet als Unternehmer, dann können Sie Dinge, die verkehrt sind, nicht einfach hinnehmen. Das können Regelungen der Tarifpartner sein oder das können Regelungen im steuerlichen Bereich sein. Wie auch immer. Dann müssen Sie als engagierter Bürger sagen: das geht mich auch an.«
Mohn lieferte mit diesen Worten nichts anderes als eine schöne Umschreibung für Lobbying. Wenn er als Unternehmer ein tarifliches oder steuerliches Gesetz als falsch ansieht, hat er das Recht, dagegen anzugehen? Sicher. Aber müssen ihm dazu Steuern erlassen und die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden? Das sicher nicht. Wenn diese Auffassung Schule macht, könnten Unternehmen und Privatpersonen künftig sämtliche Kosten zur Durchsetzung ihrer Interessen von der Steuer absetzen, denn wer hat nicht den Eindruck, dass er ein legitimes Einzelinteresse als Teil einer Gruppe vertritt? Gleichgesinnte Unternehmer lassen sich immer finden.
Die BVG-Stiftung – Heimliches Machtzentrum der Familie Mohn?
Am 21. Dezember 2007 erkannte die Bezirksregierung in Detmold, die zuständige Stiftungsaufsicht für Gütersloh, eine weitere gemeinnützige Stiftung der Mohns an. Reinhard und Elisabeth Mohn nannten sie nach der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft BVG-Stiftung. Reinhard Mohn ernannte seine Sekretärin in der Bertelsmann Stiftung, Susanne Knetsch, zur Kontaktperson, und seine Frau Liz Mohn bildet den Vorstand – außer ihr ist niemand verfügungsberechtigt. Liz Mohn bestimmt also allein.
Als Zweck der Stiftung gaben die Mohns offiziell »Kinder-/Jugendhilfe, Waisen, mildtätige Zwecke, Wissenschaft und Forschung – allgemein Kunst und Kultur – allgemein Völkerverständigung« an. Dies ist eine Standardformulierung, die für alles und nichts steht. Die Mohns verwenden sie immer dann, wenn eine Stiftung nur als juristische Hülle ohne konkrete Aufgabe existiert und sie sich alles offenhalten wollen. Es ist also eine Stiftung auf Vorrat. Wortgleich lautet der Zweck der RM-Stiftung, die Reinhard Mohn ebenfalls 2007 gründete und die ebenfalls zunächst nur als Hülle existierte. Erst nach dem Tod von Reinhard Mohn zum Jubiläum 2010 wurde sie in Reinhard-Mohn-Stiftung umbenannt und mit Leben gefüllt. Ihr Kapital beträgt 100 000 Euro und sie soll von der AG jährlich rund 500 000 Euro erhalten, um damit Projekte in der Region um Gütersloh zu fördern. Christoph, einer der beiden Söhne von Liz und Reinhard, soll sie führen. Ist die BVG-Stiftung auch so ein Konstrukt, das irgendwann mit Leben gefüllt werden soll?
Klar ist nur, dass kaum jemand davon Notiz nimmt. Selbst langjährige Mitarbeiter der Stiftung wissen nichts von ihr. Bei Bertelsmann gibt es ein internes Telefonbuch, das so dick ist wie das Verzeichnis einer Großstadt und jede Abteilung und jeden Mitarbeiter, jede Sekretärin und jeden Telefonanschluss bis hin zum Centrum für Hochschulentwicklung und zum Anschluss des Zivildienstleistenden in der Schlaganfall-Hilfe fein säuberlich listet. Die BVG ist jedoch unerwähnt. Weder die BVG noch die BVG-Stiftung haben ein Büro innerhalb der AG oder der Stiftung und es gibt keinen Mitarbeiter, der nach außen oder intern als zuständig identifizierbar ist. Die Mechanismen der Macht sind ein Geheimnis bei Bertelsmann.
Neben der großen Bertelsmann Stiftung (seit
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