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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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müsse immer stärker schlagen, kostspielige Opfer.« Die Zechen und Hüttenwerke schreiben Mitte der sechziger Jahre rote Zahlen. Die Kohlekrise beginnt schon 1958, die Stahlkrise folgt – nach einigen Schwankungen wie dem guten Jahr 1964 – ab 1965 mit voller Wucht. In der deutschen Metall- und Stahlindustrie gehen 1966 fast eine Viertelmillion Arbeitsplätze verloren. Der enorme Ausbau beider Industrien gleich nach dem Krieg führt nun weltweit zu Überkapazitäten: zu viel Kohle und Stahl, zu wenige Käufer, zu viele Arbeiter, zu hohe Kosten. Manche Konkurrenz im Ausland profitiert dabei von geringeren Lohn- und Arbeitskosten und noch mehr von gigantischen Subventionen der öffentlichen Hand.
    Beitz und Alfried Krupp werden nun paradoxerweise zum Opfer der eigenen Erfolge. Sie haben ein Imperium aus Kohle und Stahl bewahrt, wiedervereint und ausgebaut, wie es jahrzehntelang und noch in den fünfziger Jahren ganz selbstverständlich als Basis gewaltiger industrieller Macht gegolten hatte. Aber jetzt sind dieser Stahl und diese Kohle das Problem, und zwar eines, das bleiben wird, anders als Alfried Krupp denkt: Er glaubt, bei der Krise handele es sich bloß um eine der konjunkturüblichen Schwankungen. Dass sich dahinter ein gewaltiger Strukturwandel abzeichnet, sieht er nicht.
    Freilich kann sich auch die Habenseite sehen lassen. Unter Beitz’ Regie ist der Konzern aufgeblüht, er hat ein neues, ziviles Gesicht bekommen, beschäftigt über 100 000 Mitarbeiter, und das ohne die traditionelle Waffenproduktion. Er stellt nun eine Vielfalt von Produkten her und profitiert stark von dem Ostgeschäft und dem Handel mit den neuen Staaten rund um die Welt. Schaufenster dieser Krupp’schen Welt ist die jährliche Hannover-Messe, wo der Pavillon des Unternehmens die Erfolgsgeschichte des aus Ruinen neu geformten Konzerns in Szene setzt. Zeremonienmeister ist stets dessen Protokollchef Kurt Schoop. Beitz, so erinnert sich Schoop, kann dabei »sehr durchgreifend und fordernd sein. Er hat jeden Stand einzeln abgenommen. Da bangte jeder, vom Architekten über mich bis zu unserem Küchenchef Leo Imhoff.« Beitz persönlich schmeckt die Erbsensuppe mit Rebhuhn ab, er kümmert sich um jedes Detail. Ist ihm die Einrichtung zu kühl, verlangt er sofort den Umbau der Halle: »Ihr seid doch nicht ganz dicht – hier fehlt die Wärme, die Leute müssen sich hier wohlfühlen!«
    Schoop beschreibt das Prinzip des Chefs so: »Für Berthold Beitz mussten wir jedes Jahr etwas Besonderes bieten, der Konkurrenz immer einen Schritt voraus sein.« Deshalb winkt einmal Box-Idol Max Schmeling von einem Krupp’schen Hochkran, unten ehrfürchtig bestaunt von der Menge. Ein andermal steht ein Flugzeug der Flugtechnischen Werke in der Halle, aufs Erfreulichste umrankt von schönen Hostessen. Als einmal Ludwig Erhard, noch als Bundeswirtschaftsminister, die Messe besucht, sieht man ihn auf den meisten Zeitungsfotos mit der Hochglanzbroschüre Krupp heute in der Hand, selbst da, wo er den Konkurrenten Hoesch und Thyssen seine Aufwartung macht. Beitz hat das selbst bei Schoop angeordnet: »Sorgt dafür, dass er Krupp heute dabeihat – dann trägt er es den ganzen Tag umher.«
    Schoop lässt seinen jungenhaften Charme bei den Sekretärinnen der Messe spielen, bis er weit vor der Konkurrenz weiß, welcher Gast wann dort auftauchen wird. Denn wie hat ihm sein Chef gepredigt? »Die wichtigen Delegationen müssen alle zu uns in den Pavillon.«
    Einmal holt Schoop Ruhrbischof Franz Hengsbach dorthin, begleitet von Firmeninhaber Alfried Krupp und einem größeren Pressetross. Leider lässt sich der Techniker, der Hochwürden durch die Halle führt, fortreißen von der Begeisterung am eigenen Werk, er erläutert jedes Kabel und jede Schraube und ist zur Gänze unzugänglich für die diskreten Zeichen und Fratzen, mit denen ihn Schoop bewegen will, doch bitte zum Schluss zu kommen. Strafend blickt Beitz auf seinen Protokollchef. Der Tross soll weiter, es gibt noch viel zu tun, die Presse, der Rundgang, das Essen. Zum Glück löst Hengsbach die Situation. Der Techniker ist gerade bei der Schilderung einer »Seele«, des Leiterbündels innerhalb eines Kabels, angelangt. Da dreht sich Hengsbach zu seinem Weihbischof um und fragt: »Herr Kollege, haben Sie jemals eine so reine Seele gesehen?« Gelächter, und geschwind lotst Beitz die Gruppe weiter.
    Vom Wiederaufstieg, vom neuen, modernen Unternehmen Krupp soll auch ein anderes Projekt künden, das Beitz

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