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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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noch nicht zu tun gehabt. In der Urteilsbegründung im Fall Hildebrand heißt es daher auch: »Täter der staatlich gelenkten und organisierten Verbrechen waren andere. Es darf nicht vergessen werden, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des Strafgesetzbuches an Verbrechen derartigen Ausmaßes gar nicht gedacht hat und nach der damaligen humanitären Auffassung auch gar nicht hat denken können.«
    In einem frühen Stadium der Ermittlungen wird Beitz sogar selbst belastet. Der Kriminalinspektor Julius Wilde berichtet ihm von einem Herrn Gildener aus Bad Reichenhall, einem Holocaust-Überlebenden, der schwere Vorwürfe erhebt. In einem seiner zahlreichen Briefe an Beitz warnt Wilde, der den Hamburger offensichtlich bewundert: »Ich darf Sie bitten, sich beim Lesen dieser Zeilen am Fauteuil festzuhalten, da Sie sonst Gefahr laufen, vor Erstaunen umzufallen!« Gildener, offenbar sogar der Ehemann einer von Beitz geretteten Frau, habe Anzeige gegen ihn erstattet: Beitz sei verantwortlich für das Schicksal von mindestens 850 verschwundenen Juden. Wilde empfiehlt Beitz, nach Bremen zu kommen: »Ihr Erscheinen hier wird nun doch erforderlich.« Der Iduna-Direktor müsse aber »noch keinen Rucksack mit Rasierzeug und Unterwäsche mitbringen. Wenn [wir] Sie in einem Keller unterbringen, werden wir zu diesem Zweck bestimmt den Ratskeller auswählen.«
    Der Adressat selbst ist weniger amüsiert, auch wenn er bei seiner Befragung beim 1. Kommissariat der Bremer Kriminalpolizei Anfang Dezember 1950 zu Protokoll gibt: »Ich kann nicht umhin, zunächst einmal herzhaft über die Beschuldigungen zu lachen.« Beitz reagiert zwar äußerlich mit Humor – er nimmt die polizeiliche Einladung in den »Keller« an –, ist im Inneren aber tief verletzt, wie der ungewohnt emotionale Unterton seiner Antwort an Wilde vor der Befragung auf dem Kommissariat verrät: »Ihren wirklich erstaunlichen Brief habe ich heute erhalten. Sie sehen, man kann es im Leben nicht allen recht machen … Ich werde vorsichtshalber meine Unterlagen wohl doch mitbringen, und ich glaube, daß diese etwas mehr wert sind als die fragwürdige Aussage eines Herrn Gildener.«
    Die Vorwürfe treffen ihn schwer, denn sie sind ein Zerrbild seiner Zeit im Generalgouvernement und lassen ihn dastehen wie einen der Täter und nicht wie denjenigen, der ebendiesen die Stirn geboten hat. Er reagiert zornig: »Diese grundlose Beschuldigung des Gildener berührt mich um so mehr, als daß ich in der Zeit meiner Tätigkeit in Boryslaw mich gerade für die Juden in einer Weise einsetzte, die mich stets in Gefahr brachte, selbst wegen Begünstigung in Haft zu kommen.«
    Noch während das Verfahren gegen Hildebrand läuft, erscheint Keppel Holzmanns Buch Land ohne Gott , ein Augenzeugenbericht, der unter anderem die Deportationen in Boryslaw schildert und Beitz’ Erscheinen am Bahnhof, als die SS die Juden schon in Viehwaggons zusammengepfercht hatte. Darin heißt es: »›Herr Direktor Boitz! …‹ schrie man von allen Seiten, ›ich arbeite doch …‹ Offensichtlich wollte die deutsche Kriegsmaschine auf die Spezialisten in der Naphtha-Industrie nicht verzichten, da diese Schreie in vielen Fällen von Erfolg begleitet waren.« Beitz habe seine Angestellten »herausgeangelt«. Dabei hat Beitz zahlreiche Menschen gerettet, die gar keine Rüstungsarbeiter waren. Holzmann wusste das nicht, und so wird das Buch, das eigens vom Gericht angefordert wird, der Realität nicht gerecht. Es bestätigt zwar Beitz’ Rolle in Boryslaw, verkennt aber völlig dessen Motive wie auch die Grenzen seiner Einflussmöglichkeiten.
    Beitz erscheint also, wie erwähnt, Anfang Dezember 1950 bei der Kripo in Bremen und wird von Ermittlern des 1. Kommissariats befragt. Er übergibt den Beamten Kopien aller Dankesbriefe, die ihm seine überlebenden jüdischen Schützlinge aus Boryslaw nach 1945 geschrieben haben. Aus diesen Briefen, so Beitz, gehe eindeutig hervor, dass den Absendern »das Leben dank meines Einsatzes für sie erhalten wurde«. Die Briefe verfehlen ihre Wirkung nicht, wie aus einem Resümee der Kripo Bremen nach Beitz’ Befragung hervorgeht: »Die seitens des Gildener erhobenen Anschuldigungen sind in keinerlei Einklang zu bringen mit den Beurteilungen, die dem Generaldirektor Beitz von allen Zeugen gegeben wurden.« Die Ermittlungen werden eingestellt, Gildener reist bald darauf aus und verfolgt die Sache nicht weiter.
    Während des Bremer Prozesses unterstützt Beitz die schwerbehinderte

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