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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Hochburg der islamischen Fundamentalisten. Ihn überkommen in den Basaren und Moscheen Vorahnungen, welche Kraft der Unzufriedenheit da heranwächst. »In Mesched gingen die Frauen fast alle tief verschleiert. Hier wehte nicht die weiße Fahne der vom Schah verordneten weißen Revolution. Im ersten Frühlingswind, der von der nahen afghanischen Grenze herüberwehte, entfalteten sich zahllose schwarze Wimpel und Fahnen, düstere Symbole der unstillbaren schiitischen Trauer und ihrer geheimen Verheißung.« Scholl-Latour, der 1975 zum ZDF wechselt, ist bei der deutschen Wirtschaftsgemeinde in Teheran wegen seiner pessimistischen Prognosen alles andere als ein gern gesehener Gast; auch beim Teheraner Krupp-Büro schätzt man ihn als »Schah-Feind« nicht. Am »Ort der Rosen« jedenfalls widmet sich die deutsche Delegation einer ausführlichen Palastbesichtigung, während Reza Pahlevi und Berthold Beitz erst über das Münchner Finale und dann über die Beteiligung des Iran an den Krupp’schen Hüttenwerken reden. »Wir sprachen«, so Beitz, »noch eine halbe Stunde über das Geschäft, und dann sagte der Schah, so machen wir das, Herr Beitz.« Exakt 25,04 Prozent der Anteile an der Fried. Krupp Hüttenwerke AG werden auf die National Iranian Steel Industries übertragen. Beitz’ Plan ist aufgegangen.
    Die Feinabstimmung überlässt der Regent seinem Ministerpräsidenten. Viele Stunden lang sitzt Beitz mit Hoveyda in einer Hilton-Suite, der Iraner hat die Schuhe nach Landessitte abgestreift. Das heißt nicht, dass er es sich bequem gemacht hätte – er verhandelt hart. Als Beitz, leicht ermattet und hungrig, einen Restaurantbesuch vorschlägt, lässt Hoveyda einfach Kaviar auffahren. Danach wird weiter um den Wechselkurs gefeilscht, nach dem Irans Anteile an Krupp zu berechnen sind. »Wir konnten uns einfach nicht einigen. Schließlich habe ich gesagt, Herr Ministerpräsident, bald werde ich schlafen gehen müssen; morgen früh fliege ich nach Hause. Aber Hoveyda sagte: Nein, bleiben Sie, wir reden weiter. Und so haben wir uns doch noch auf einen guten Kurs geeinigt.« Es ist nun eine halbe Stunde vor Mitternacht. Hoveyda sagt zu Beitz: »So, nun muss ich seine Majestät anrufen. Er will bis zwölf Uhr wissen, ob wir uns geeinigt haben.«
    Die ganze Aktion ist, wie man bei Krupp respektvoll sagt, »ein typischer Beitz«: ein Alleingang, aus dem Bauchgefühl und dem intuitiven Gefühl für das Mögliche entstanden, dem Mut zum raschen, entschlossenen Handeln, und das, wie so oft, auf der einfachen zwischenmenschlichen Ebene. Höchstwahrscheinlich hat genau das den Deal möglich gemacht. Für den Schah, der in der uralten Welt des persischen Hofzeremoniells selten jemanden trifft, der ihm auf Augenhöhe begegnet, ist der Mann aus Essen ein ungewohnter Partner: selbstbewusst, ohne respektlos zu sein, jemand, der einfach mit ihm spricht, wie zwei Männer eben, die etwas zu bereden haben. Auf diese Weise hat Beitz mit Lilienfelds Hilfe die gesamte Hofkamarilla umgangen, die den Herrscher sonst von der Welt abschirmt. Im Übrigen versprechen sich beide Männer von der Vereinbarung erheblichen Gewinn: Beitz das rettende persische Geld, der Schah Zugang zu High-Tech und Know-How einer weltberühmten Firma für seine weiße Revolution.
    Wie gut der Deutsche beraten war, das Geschäft unter vier Augen und nicht auf dem herkömmlichen Wege durch die undurchschaubare Bürokratie des Palastes zu machen, wird ihm sehr schnell deutlich. Er befindet sich noch im Hilton-Hotel, so erinnert er sich, da suchen ihn »elegante und sehr teuer gekleidete Leute« auf. »Sie sagten, sie kämen von der Zwillingsschwester des Schahs und würden nun dafür sorgen, dass wir auch viele Regierungsaufträge bekommen – aber sie wollten fünf Prozent Beteiligung dafür.« Beitz ist wenig erfreut von diesem unverhohlenen Versuch der Vetternwirtschaft. Bei seiner nächsten Begegnung mit dem Schah berichtet er diesem von den Besuchern: »›Und was sagen Sie nun dazu, Majestät?‹ Und er sagte nur: ›No, Mr. Beitz.‹«
    In Deutschland erwarten Beitz viel Beifall, anerkennende Pressekommentare, Jubel im Unternehmen. Jürgen Ponto bringt die allgemeine Zustimmung auf den Punkt: »Dolle Kiste.« Otto Graf Lambsdorff, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, spricht von einem »guten Schritt zur Lösung des Problems der Re-Investition von Öl-Dollars«. Beitz selbst sagt wohlgelaunt: »Da ist Musik drin.« Und er ist selbst heute noch

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