Berthold Beitz (German Edition)
nachtragend genug, den Neid alter Gegner wie Thyssen-Boss Sohl zu genießen: »Der Sohl hat sich wirklich geärgert.«
Nach dem ersten Beifall wird der Heimkehrer mit einer moralischen Frage konfrontiert: Haben er und das Unternehmen sich mit einem nahöstlichen Potentaten gemeingemacht? Mitglieder von Amnesty International werfen Beitz vor: »Die Antwort auf kritische Meinungsäußerung in Persien ist Folter und Gefängnis.« Das Bild Persiens unter dem Schah ist in der Bundesrepublik auf verwirrende Weise reich an Facetten. Die bunten Blätter erfreuen sich an echtem und erfundenem Hofklatsch über ein veritables Kaiserhaus und die schöne Herrscherin Farah Diba, der Beitz bei einem Empfang in Teheran einen formvollendeten Handkuss gibt. Für linke Kritiker ist der Iran dagegen das ideale Feindbild: eine Diktatur, hochgerüstet von den USA und der Nato, beherrscht mit Hilfe eines berüchtigten Geheimdienstes namens Savak, durch Folter und Mord gegen die Opposition, die im Exil von Gruppen wie den marxistischen Volksmudschaheddin dominiert zu sein scheint. Unvergessen ist der Besuch des Kaiserpaars in Berlin 1967, als die »Jubelperser«, prügelnde Provokateure aus dem Iran, gesteuert vom Savak, auf Demonstranten eindroschen und der Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, ein brutaler Akt der Gewalt, der einen Märtyrer der 68er-Revolte schuf. In der davon sehr fernen Welt der Realpolitik wiederum gilt der Schah, wie schon erwähnt, als einer von wenigen stabilen Faktoren in einer Krisenregion, von der die Energieversorgung des Westens abhängt, sowie als Gegengewicht zu der wachsenden Macht des Islam und vor allem natürlich zu dem Einfluss der UdSSR , die von jeher einen Zugang zu den warmen Meeren des Südens sucht.
Keine dieser Sichtweisen wird für sich genommen den Zuständen im Lande gerecht. Beitz lässt für den Iran gelten, was ihm zuvor für den Ostblock galt: Der Handel ist ein Wegbereiter, und Wandel durch Annäherung, das Motto der Brandt’schen Ostpolitik, ist allemal effizienter als Konfrontation. Es ist dies eine sehr persönliche Moral, die sich von den linken Zeitströmungen so unabhängig hält wie 15 Jahre zuvor vom konservativen Blockdenken. Andererseits: Dass rückwärtige, repressive Regime sich durch die Annäherung, durch das Vorbild Europas zum Besseren wandeln, ist 1974 durchaus offizielle – und langfristig sehr erfolgreiche – Politik der EG , die sich in der ersten Hälfte der siebziger Jahre ganz ähnliche Fragen in Bezug auf die rechten Diktaturen Griechenlands, Spaniens und Portugals stellen muss.
Einmal, erzählt Beitz, habe ihn ein Vorstandsmitglied von Siemens attackiert: Er, Beitz, habe einen Despoten als Partner zu Krupp geholt, das sei unmoralisch. Beitz erwidert: »Hören Sie mal, wissen Sie eigentlich, wie viele Gesetzesbrecher, Nutten und Zuhälter Sie unter Ihren Aktionären haben? Die ihr Geld bei Ihnen anlegen? Das wissen Sie nicht, und ich weiß wenigstens, wen ich als Partner habe.«
In den ersten zwei Jahren nach dem Vertragsabschluss entwickelt sich das Iran-Geschäft selbst allerdings nicht so wie erhofft. Zwar soll der Schah seinem Hofstaat gern predigen: »Bei Krupp gibt es nichts, was es nicht gibt.« Doch über kleinere Aufträge wie den Bau einer Entsalzungsanlage für Meerwasser gehen die Iraner zunächst nicht hinaus. In der deutschen Wirtschaftsgemeinde mutmaßt man, Krupp werde von den Iranern bewusst kurz gehalten, damit sie außer in die Hüttenwerke auch in die Holding selbst kommen. Dies mag so sein, ist aber keineswegs Beitz’ größte Sorge. Mitte der siebziger Jahre trifft die Stahlkrise den Konzern nämlich erneut mit voller Wucht; fast alle Firmenteile schreiben rote Zahlen.
Vorerst ist das Reich des Schahs also nur an den Hüttenwerken beteiligt, nicht am Mutterkonzern selbst, der seit den Tagen des Gründervaters Alfred Krupp meist nur einem einzelnen Besitzer gehört hat. Doch das soll sich nun ändern – mit dem Ziel, den Konzern zukunftsfest zu machen. Wieder reist Beitz, der um die iranischen Begehrlichkeiten bezüglich einer Firmenbeteiligung weiß, nach Teheran. Auf dem Krupp-Stand der Internationalen Handelsmesse 1976 in Teheran trifft er den Schah. Der Konzern zeigt sich von seiner besten Seite: Hochöfen, Raffinerien, das Modell eines Supertankers aus den Werften der firmeneigenen AG Weser; Krupp also, wie der Schah und die iranische Regierung es sich vorstellen, ein High-Tech-Unternehmen, das echte
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