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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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nicht wie ein Gast aus einem fremden Land«, wird Beitz später sagen, »sondern wie einer, der dem Kuratorium seine Heimat zeigt.«
    Und tatsächlich, Berthold Beitz ist nach Hause gekommen. Mit den Kuratoren der Krupp-Stiftung bereist er den Nordosten der DDR , die pommerschen Stätten seiner Jugend. Beitz trifft in Stralsund Menschen, die er seit Jahrzehnten nicht gesehen hat, er klingelt in Greifswald an der Tür des Hauses, in dem er einst gelebt hat, und besucht sein von langer Vernachlässigung gezeichnetes Geburtshaus. Die Fensterscheiben sind eingeschlagen. Im Garten sieht er eine alte Handpumpe – ob er die mitnehmen könne, als Erinnerung an seine Jugend?
    Dort, in Zemmin, steht Ortschronist Rudi Böhme am Friedhofszaun und beobachtet ungewöhnliche Aktivität auf den holprigen Dorfstraßen: Polizei-Wartburgs, zivile Wagen der Stasi, Volkspolizisten an den Zufahrten. Es ist der 24. August 1982. Die Dörfler raunen, hohe Kirchenmänner seien unterwegs in den Ort. Doch der Pastor klärt Böhme auf: Krupp-Chef Berthold Beitz werde erwartet. Spontan entschließt sich Böhme, etwas Ordnung im wild verwucherten hinteren Teil des Friedhofs zu schaffen. Dort, unter Dornen und Schlingpflanzen, liegt die Grabstätte des Barons von Sobeck, die auf Geheiß der Obrigkeit zur Strafe für dessen falsche Klassenzugehörigkeit sich selbst überlassen blieb. Als Böhme daheim eine Sense holt, wird er von seiner Frau mit mildem Spott bedacht: Ob er jetzt einen Bauernkrieg beginnen wolle? Bald ist die kleine aufrührerische Tat getan, das Unkraut beseitigt. Kurz darauf kommt Beitz, von einem großen Tross gefolgt, vorbei, er sieht Böhme vor dem frisch geharkten Weg und sagt im schönsten pommerschen Platt: »Nu möt ich äwer hier röwer«, worauf Böhme erwidert: »Mit’n bäten gauden Willen is alles möglich.«
    Guter Wille hat, wenn man so will, diese Reise überhaupt erst möglich gemacht. Zum Abschluss sagt Beitz zur Zeit -Reporterin Marlies Menge, die den Rummel fasziniert beobachtet hat: »Viele werden die Nase rümpfen, sie werden sagen: Der Beitz fährt da hin und spricht mit Honecker. Ich finde, es ist besser, wenn wir Deutschen miteinander reden, als wenn wir uns gegenseitig befetzen, beschimpfen oder bedrohen.«
    Und am Fetzen, Schimpfen und Drohen fehlt es in der großen Politik im Jahre 1982 nicht. In der Bundesrepublik lässt die FDP die sozialliberale Koalition scheitern. Helmut Schmidt hat, als energischer Verfechter der Nato-Nachrüstung, den Rückhalt seiner Partei verloren. Der Raketenstreit entzweit die Bundesrepublik. Ausgerechnet in dieser angespannten Lage findet man Berthold Beitz erneut in jener Rolle, die er 25 Jahre zuvor schon einmal gespielt hat: in der des versöhnlichen Mittlers nach Osten. Diesmal aber ist sein Ziel die DDR , und möglich wird dies durch die ungewöhnliche Nähe zu einem Mann, der schon damals und erst recht nach der Wende 1989 als Inbegriff eines seelenlosen kommunistischen Apparatschiks gilt: Erich Honecker, dem Vorsitzenden des Staatsrats der DDR und Generalsekretär des SED -Zentralkomitees, dem mächtigsten Mann im anderen Deutschland.
    Mit Walter Ulbricht, dem alten Zuchtmeister der DDR , hatte Beitz nie viel im Sinn gehabt. Nach dem Mauerbau 1961 boykottierte er für mehrere Jahre die Leipziger Messe. Umgekehrt verfolgte man in Ostberlin damals Beitz’ Annäherung an Polen voller Argwohn. Hatte nicht die DDR , hatte nicht Ulbricht die Oder-Neiße-Grenze längst feierlich anerkannt? Was sollten polnische Forderungen an Bonn noch, wenn dort doch nur »Hitlers Hintermänner« an der Macht waren, wie die SED -Propaganda den Ostdeutschen einhämmerte? Jede Versöhnung zwischen Polen und der Bundesrepublik enthüllte eine für Ulbricht schmerzliche Wahrheit, ja eine Wahrheit, die direkt ins Herz seiner politischen Lebenslüge zielte: Die DDR war nicht, wie sie sich selbst feierte, das einzig wahre Deutschland. Dementsprechend hatte die Staatssicherheit Ende der sechziger Jahre ein bösartiges Dossier über Beitz angelegt: Er stehe, da er vor Gericht zugunsten des SS -Mannes Hildebrand ausgesagt habe, im »Verdacht, an Kriegs- und Naziverbrechen im okkupierten Polen mitgewirkt zu haben«. Die Verfasser empfahlen: »Neue Belastungsmaterialien müssten über die polnische Hauptkommission in Warschau angefordert werden.«
    Aber das alles ist nun Vergangenheit. 1983, nur ein Jahr nach dem Besuch in Hubertusstock, erhält Berthold Beitz in der kleinen Barockaula der

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