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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Vor allem diese letzte Frage beschäftigt Heerscharen von Zahlenmenschen in beiden Häusern.
    Und nun, nach Ostern 1997, schlägt die Stunde der Patriarchen. Ein-, zweimal im Monat verhandeln Beitz und Vogelsang unter vier Augen im Restaurant »Victorian«. Vogelsang hat inzwischen angesichts der Macht des Faktischen seine Meinung geändert und sieht nun in einer friedlichen Fusion auch Vorteile für Thyssen.
    Zu besprechen ist also zuerst die Personalie. Beitz’ Vertrauter Cromme – das ist der Fluch von Rheinhausen – gilt bei den Thyssen-Arbeitnehmern als Vertreter eines kalten amerikanischen Reagan-Kapitalismus und eben nicht als Freund der klassischen Montanmitbestimmung; bei Thyssen gibt es sie noch, bei Krupp-Hoesch nicht. Andererseits ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Vogel. Sie wirft ihm Veruntreuungen bei der Abwicklung des ehemaligen DDR -Betriebs Metallurgiehandel zugunsten des Ruhrkonzerns vor, was seine Position erheblich schwächt.
    Beitz setzt ohnehin auf Cromme. Nur: Thyssen, mit dem Selbstbewusstsein des Größeren, wird Cromme schwerlich als Vorstandschef akzeptieren. Das würde dann doch als Kapitulation betrachtet. Andererseits ist die Krupp-Stiftung, der auf der Thyssen-Seite kein vergleichbarer Großaktionär gegenübersteht, der mit deutlichem Abstand größte Anteilseigner und kann schon deshalb auf die Besetzung des Vorstandsvorsitzes pochen.
    Bei einem ihrer Mittagessen finden Beitz und Vogelsang schließlich die Lösung. Fürs erste und zur Befriedung der Gemüter bekommt der Konzern im Vorstand eine Doppelspitze, nämlich Cromme für Krupp und Schulz für Thyssen. Vogel, der eine solche Lösung vehement abgelehnt hat, ist aus dem Rennen und wird bald danach aus dem Unternehmen ausscheiden. Ein Sprecher von Thyssen-Privatanlegern, Hans-Martin Buhlmann, tobt deshalb über »das Diktat von Krupp«: »Hier opfert der Aufsichtsrat den Kaiser.« Ein mächtiger Spieler hat überreizt und verloren.
    Die Begeisterung der beiden Kandidaten für die Doppelspitze hält sich in Grenzen, aber der Logik des Schrittes können sie sich nicht verschließen. Seufzend stimmt Cromme zu, nicht der Mann, der seine Entscheidungsgewalt gern mit jemandem teilt. Thyssen-Stahlchef Ekkehard Schulz wiederum ist aus Sicht von Beitz die ideale Lösung; er kennt Schulz von gelegentlichen Jagden und saß bei der ersten Begegnung lange mit ihm in der Jagdhütte zusammen, angenehm überrascht von dem Jungmanager und dessen ruhiger, gelassener Art. Ein paar Tage später schickte er ihm Fotos, Schulz vor der Jagdstrecke, eine typische Beitz’sche Weise des freundlichen Kontakthaltens.
    Die Doppelspitze wird später keine freundliche Presse haben und als Ausdruck egozentrischen Lagerdenkens innerhalb der vereinigten Firmen gegeißelt. An dieser Einschätzung ist allerdings vieles falsch. Gerade Schulz ist es doch gewesen, der bei Thyssen stets die Fusion mit Krupp gewollt hat. Er ist Techniker, ein freundlicher, kräftiger Mann, akzeptiert und geschätzt in der Belegschaft, einer, dem bei der Werksbesichtigung der Schutzhelm nicht wie ein Fremdkörper schief auf dem Kopf sitzt. Cromme ist zwar distanzierter, aber, wie Schulz heute freimütig zugibt: »Mit zehn Jahren Vorstandserfahrung bei Krupp war er in Wirtschaft und Politik ganz anders vernetzt als ich. Wir sind ganz unterschiedliche Typen, genug, um sich nicht immer ins Gehege zu kommen.« Zum selbstzerstörerischen Kampf der Firmenkulturen, den die Kritiker vorhergesagt haben, kommt es jedenfalls nicht, und das allein ist schon Erfolg genug.
    Die zweite ungeklärte Frage ist nicht minder heikel: Es geht um das Geld der Aktionäre und den Wert der Konzerne im Verhältnis zueinander. Doch auch hier erarbeiten Beitz und Vogelsang beim Mittagsmenü eine simple Lösung. Sie verzichten auf Spiegelfechtereien hinter dem Komma und bemessen den Wert auf einfachste Weise: Thyssen 2, Krupp 1. Zwei Drittel der Anteile hat Thyssen, ein Drittel Krupp-Hoesch. Für Beitz sind diese 33,33 Prozent ein ordentliches Ergebnis – weit über den ursprünglichen Vorstellungen der Thyssen-Leute. Manche von ihnen haben Krupp auf 20 Prozent heruntergerechnet, während Zahlenkünstler aus Crommes Team bis zu 40 Prozent dagegengehalten haben. Aber 2:1, damit kann jeder leben; und selbst Hans-Martin Buhlmann, der aufsässige Sprecher vieler Thyssen-Aktionäre, dringt mit seinem Protest gegen die vermeintliche »Kapitulation vor Krupp« nicht mehr durch: »Wir sind das Volk, wir

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