Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
Vom Netzwerk:
auf den himmelhochragenden Palast der Deutschen Bank, eine ironische Anspielung auf ein Zitat von Hilmar Kopper. Der Banker hatte 1994 großspurig erklärt, die offenen Rechnungen der Handwerker bei der Pleite des Immobilienzaren Jürgen Schneider seien doch bloß »peanuts«, Erdnüsse – seither ein Synonym für die Arroganz der Geldmacht gegenüber den kleinen Leuten. Es dürfte die einzige Großdemonstration gegen das Kapital sein, die man in den Vorstandsetagen eines Großkonzerns wohlgefällig verfolgt – bei Thyssen nämlich. Der Druck der Straße ist ganz in Vogels Sinne.
    Dafür ist die Benennung der Unterhändler ein Problem für die Thyssen-Seite. Der Aufsichtsratsvorsitzende Kriwet und sein Vorstandschef Vogel lehnen eine Fusion ab – doch nicht ausgerechnet mit Krupp, dem Essener Unternehmen, auf das viele in Düsseldorf inzwischen ein wenig herabschauen! Man ist schließlich längst über den einstigen Branchenführer hinausgewachsen. »Unsere Hardliner bei Thyssen«, erinnert sich Ekkehard Schulz heute, »haben die fünf Buchstaben von Krupp so buchstabiert: K aum R entabel U nd P raktisch P leite – Krupp.« Schulz seinerseits, Thyssens Stahlchef, war schon immer für eine Fusion.
    Die Orte der offiziellen Verhandlungen im März 1997 könnten symbolbefrachteter nicht sein. Teils treffen sich die Delegationen im Stiftungshaus auf dem Hügel, der noch immer das ausgeprägte Selbstgefühl der Gründerfamilie ausstrahlt. Wenn es ums Repräsentieren geht, können freilich auch die Thyssianer mithalten: Sie laden ein in ihr Gästehaus, Schloss Landsberg über dem Ruhrtal, eine Burg, die Graf Adolf V. von Berg im 13. Jahrhundert zur Sicherung der Flussbrücke errichten ließ. Die ungewöhnlich massive Festung mit ihrem 33 Meter hohen Turm ließ August Thyssen im geschichtsverliebten Stil des Historismus zum Schloss umbauen; er lebte hier, bis zu seinem Tode 1926. Noch heute wirkt das Haus zwischen den verspielten Gartenanlagen verschlossen und geheimnisvoll. Aber die Aura von Macht und Kraft, die von hier ausgeht, war von den Grafen der Ritterzeit ebenso beabsichtigt wie von den Baronen des Industriezeitalters: An uns kommt niemand vorbei, und an uns kommt niemand heran.
    Doch auch wenn Dieter Vogel das, was Cromme, bis dahin sein persönlicher Duzfreund, sich da ausgedacht hat, als »Wildwest-Manier« beschimpft: Allein der Versuch der feindlichen Übernahme hat genügt, um die starre Ablehnung eines Zusammenschlusses bei Thyssen kollabieren zu lassen. Entsprechend frohlockt der Unternehmensberater Roland Berger: »Ich glaube, daß Deutschland nie mehr so sein wird, wie es war, und die Grabesruhe an dendeutschen Kapitalmärkten nie wiederkehren wird.« Eine friedliche Fusion bringt die Kruppianer zwar um die Option der alleinigen Macht im neuen Konzern, hat aber sonst nur Vorteile im Vergleich zur feindlichen Übernahme – vor allem kostet sie keine Milliarden.
    So ist es schließlich keine Sensation, als die beiden Konzerne nach nur acht Tagen Verhandlung die Gründung einer gemeinsamen Stahlgesellschaft ankündigen, eine Teilfusion also beim Stahl. Zu den wenigen wirklich gut gelaunten Herren auf der Thyssen-Seite, die nach einer langen Nacht auf Schloss Landsberg anderntags im Düsseldorfer Konzernsitz eintreffen, gehört Ekkehard Schulz, der künftige Chef ebendieser gemeinsamen Stahlgesellschaft. Er ist auf dem Weg, dem Aufsichtsrat zu berichten, da läuft ihm auf dem Flur Vogelsang über den Weg. »Nun haben Sie ja, was Sie immer wollten«, knurrt der, »dann machen Sie mal was draus.«
    Es liegt in der Logik des Abkommens, dass der nächste Schritt eine Vollfusion sein wird. Schon im August 1997 nehmen beide Firmen Gespräche darüber auf. Thyssen-Vorstand Vogel pokert hoch, stellt schwer erfüllbare Bedingungen und brüskiert die Verhandlungspartner, die er wissen lässt, die Fusion sei »keine Krupp-, sondern eine Thyssen-Veranstaltung«. Er will Krupp so klein wie irgend möglich halten. Die Verhandlungen sind dementsprechend zäh, insgesamt 19 Arbeitsgruppen tüfteln Details aus.
    Alles Gefeilsche hilft indes wenig, solange zwei wesentliche Punkte noch ungelöst sind und zu einer Blockade zwischen den beiden Vorständen und ihren Aufsichtsräten führen. Erstens: Wer soll den Konzern leiten bzw. wer wird Vorstandsvorsitzender? Und zweitens: Wie werden die jeweiligen Anteile der beiden Firmen am neuen Unternehmen berechnet, sprich, wie viel sind die bisherigen Aktien der beiden Seiten wert?

Weitere Kostenlose Bücher