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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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macht noch einmal deutlich, dass er eine feindliche Übernahme von Thyssen im Stiftungskuratorium »nicht würde unterstützen können«. Nur einen Tag darauf trifft sich beim Ministerpräsidenten eine Krisenrunde, der Cromme und Beitz für Krupp sowie Vogelsang und Kriwet für Thyssen angehören. Allein die Anwesenheit beider Ehrenvorsitzender zeugt von einem neuen Ansatz. Schließlich einigt man sich auf Verhandlungen – auf ein »gemeinsames Konzept für den Stahlbereich«. Beitz stimmt erleichtert zu. SPD -Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der kommende starke Mann hinter Ministerpräsident Johannes Rau, spricht noch heute »von einem der spannendsten industriepolitischen Erlebnisse meiner Zeit in Düsseldorf«. Beitz habe »Johannes Rau gebeten, eine Vermittlungsrolle einzunehmen«, was ihn, Clement, sehr beeindruckt habe: »Das erlebt man heute ja kaum noch, dass ein Unternehmensführer zur Regierung geht, um sie zu informieren. Sie nehmen die Politik gar nicht mehr ernst, sie fühlen sich ihr weit überlegen. Aber Berthold Beitz ist am Konsens orientiert und achtet auf Etikette.«
    Beitz seinerseits sagt heute recht offen: »Ich habe von der feindlichen Übernahme eigentlich gar nichts gehalten. Und ich habe Herrn Cromme davon abgehalten. Was wäre denn passiert? Der Konzern hätte dann Milliarden Schulden gehabt, und Herr Cromme hätte dann aus dem Thyssen-Konzern Betriebe verkaufen müssen« – um ebendiese Schulden abzubezahlen.
    Im März 1997 stellt sich die Sache für die Beteiligten allerdings noch nicht so eindeutig dar. Beitz ist von dem Übernahmeplan nicht überzeugt, er zögert, zumal nach dem Treffen mit Rau am 11. März. Lehnt er jedoch rundheraus ab, würde er Cromme schwer beschädigen, und eine Lösung des Stahlproblems stünde weiter in den Sternen. Aber er will sich nicht offen gegen seinen Mann stellen, der den Konzern so erfolgreich aus dem Schlamassel der achtziger Jahre herausgeholt hat. Deshalb stärkt er Cromme demonstrativ und vor versammelter Mannschaft bei der Übernahmedebatte am 16. März in der Stiftung. In deren Protokoll heißt es: »Er habe großes Vertrauen zu Herrn Cromme. Dieser müsse wissen, daß er ihn als seinen Nachfolger vorgesehen habe.« Diese Erhebung in den Stand des Kronprinzen versichert den Jüngeren einerseits der Loyalität des zu dem Zeitpunkt 83-jährigen Krupp-Patriarchen, andererseits fährt dieser laut Protokoll fort: »Ich benötige für meine Entscheidung Sicherheiten.« Er müsse »die Frage stellen, ob es keine andere Möglichkeit des Vorgehens gebe. Es bleiben viele Zweifel.«
    Und so kommt es, dass Rau als Schirmherr und Clement als Vermittler zwischen den beiden Stahlriesen durch die weiteren Verhandlungen ab dem 19. März führen. Die Kruppianer haben den Versuch der feindlichen Übernahme zurückgestellt. Bis Gründonnerstag 1997 herrscht eine Art Friedenspflicht.
    Im Grunde hat Beitz damit erreicht, was er wollte: Die feindliche Übernahme mit all ihren Risiken und Konflikten ist fürs Erste abgewendet, ohne dass er sie ausdrücklich abgelehnt hätte. Dafür taugt sie nun aber als Drohkulisse für die Verhandlungen mit Thyssen, gemäß dem an der Ruhr beliebten Sprichwort: Was nicht ist, das kann ja noch werden. Der Druck auf den Düsseldorfer Konzern bleibt also groß und zwingt dessen Führung zu Verhandlungen – auch wenn Kriwet und Thyssen-Vorstandschef Dieter Vogel schwören, sich »bis zur letzten Patrone« zu verteidigen.
    Es fehlt ihnen durchaus nicht an Munition. Seit der Schließung des Stahlwerks Rheinhausen ist Cromme für viele, gerade auf Arbeitnehmerseite, ein Feindbild: »der Plattmacher«. Und kaum sind die Übernahmepläne heraus, erinnert die Woge des Protests an die alten Kampftage, eine Woge, die sogar über das Frankfurter Bankenviertel hereinbricht. Vor den Türmen des Kapitals ziehen 30 000 wütende Arbeiter auf, mit Trillerpfeifen, Plakaten und Sprechchören machen sie ihrem Ärger Luft: »Die Dealer von der Deutschen Bank machen die Gesellschaft krank!« Die Deutsche Bank würde nämlich die feindliche Übernahme von Thyssen mitfinanzieren und ist dort gleichzeitig im Aufsichtsrat vertreten. So viel proletarischen Zorn hat die Republik, die mehr oder auch weniger kluge Denker bereits in der Phase des postindustriellen Zeitalters angekommen sehen, schon lange nicht mehr erlebt. »Voll draufhalten auf die Schweine, die unsere Familien zerstören«, röhrt der Betriebsratsvorsitzende. Die Menge wirft mit Erdnüssen

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