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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Sie sind deren Sprecher.«
    Natürlich hat Beitz ebenso mit Schulz und Cromme gesprochen und ihnen seine Moderation angeboten: »Kann ich helfen? Kann ich einen Beitrag leisten?« Schließlich, zwei Wochen später, führt Beitz die beiden Seiten an einen Tisch zusammen. Hinterher wird kolportiert, Beitz habe mit geschlossenen Augen die Forderungen der Arbeitnehmervertreter angehört, dann die Augen wieder geöffnet und Cromme und Schulz mit der Bemerkung verblüfft: »So machen wir das!« Aber gerade solche Erzählungen gehen am wirklichen Geschehen, ja am Wesen dieser ungewöhnlichen Vermittlungsaktion vorbei. Es geht für Beitz nicht um ein Machtwort, sondern um die Macht zur Moderation.
    So ist auch die sogenannte Essener Erklärung nicht der Schulterschluss des Patriarchen mit den Werktätigen von der Walzstraße, kein Faustschlag auf den Tisch, keine brüskierende Ermahnung der Unternehmensführung. Sie ist im Grunde so freundlich formuliert, dass jeder ihr zustimmen kann. Sie enthält nicht einmal Zahlen, die sich einfordern ließen. Die Erklärung ist trotzdem ein nachhaltiger Appell an beide Seiten: an die Arbeitnehmer, die Konfrontation nicht eskalieren zu lassen und sich in die neue Konzernstruktur zu fügen, und an die Manager, in der Krise Augenmaß walten zu lassen. Schulz und Cromme sind im Konflikt mit den Belegschaftsvertretern die Stärkeren, insofern ist die Botschaft an sie auch bedeutsamer. Sie lautet, auch wenn die trockenen Formulierungen das anders ausdrücken: Wahrt die Gemeinsamkeit und die Unternehmenskultur. Und sie setzt dem Management, sollte sich die Krise zuspitzen, gewisse Grenzen. Von nun an wäre jede Kahlschlagsanierung, jede neue Entlassungsrunde ein Affront gegen den Hauptaktionär und Patriarchen.
    Die Erklärung hat sofort befriedende Wirkung. Am 13. Mai 2009, auf der nächsten Aufsichtsratssitzung, auf der es ohne Beitz’ Vermittlung wohl zum Showdown gekommen wäre, stimmen auch die Arbeitnehmervertreter, beruhigt durch die Essener Erklärung, der neuen Konzernstruktur zu. Die Verschlankung ist immer noch nichts, was ihnen Freude bereiten würde, aber Schlenz instruiert seine Leute vorher: »Kollegen, wir sollten wegen Herrn Beitz und für Herrn Beitz geschlossen für die neue Struktur stimmen.« Und so geschieht es. Die Arbeitnehmer sind klug genug, nicht die Hand zu beißen, die sie füttert.
    Berthold Beitz ist darüber sehr erleichtert. Er hat auch das Symbolhafte der Aktion im Auge gehabt: Mitten in der schwersten Krise der Nachkriegszeit beenden die Streitparteien ihren Hader, indem sie sich auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen. »Deshalb«, sagt er mit Stolz, »ist die Essener Erklärung in der deutschen Wirtschaft zum Begriff geworden. Sie ist vorbildlich für die gute Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Management.« Und er denkt an jene Jahre, in denen er die Grundlage für diesen Erfolg gelegt hat, als er und Otto Brenner ein unschlagbares Team gewesen sind.
    Thomas Schlenz jedenfalls hat sich oft gefragt, was wohl ohne Beitz und ohne die Erklärung geschehen wäre. Eine ganze Menge, fürchtet er, aber wenig Gutes: »Ob der Konflikt heilbar gewesen wäre? Ich bezweifle das stark.« Das Miteinander wäre zum Gegeneinander geworden. Schlenz fasst den moralischen Wert der Intervention deshalb prägnant zusammen: »Berthold Beitz’ Einsatz war für uns alle, und im Interesse von uns allen, eine deutliche Mahnung: Kriegt euch nicht mehr so an die Köppe!«
    GERHARD CROMME: DER ZWEITE MANN
    Männer wie Gerhard Cromme werden gern nach ihrem Verhältnis zur Macht gefragt. In der Bilderwelt der Wirtschaftsjournalisten nennt man seinesgleichen mit Vorliebe »Alphatiere«, gleich den Leitwölfen im Rudel. Dem manager-magazin erscheint der Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp sogar als »eiskalter Kontrolleur«, als einer, der »in der Wirtschaft keine Freunde hat«. In jedem Fall ist er einer der erfolgreichsten Manager Deutschlands. Wie also hält einer wie er es aus, vor großen Entscheidungen auf dem Hügel vorzusprechen? Wie erträgt er es, neben und auch über sich einen Übervater zu wissen, der sogar in den Aufsichtsratssitzungen dabeisitzt, die Cromme leitet? Wie kommt er damit zurecht, dass Berthold Beitz ihm gern einmal kleine Vorträge über fehlgeleitete Manager hält, die sich irrtümlich für Eigentümer des Konzerns halten? Oder über die wahren Eigentümer, auf die es wirklich ankomme?
    Das alles muss doch kaum erträglich sein für jemanden, dessen Devise

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