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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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Es ist der 15. April 1945.
    MAI 1945 : RÜCKKEHR NACH HAMBURG
    Das Ende, so Beitz, »bedeutete zugleich Niederlage und Befreiung. Zweifellos, so haben auch wir … die Vorgänge empfunden. Aber … der unmittelbare Druck des Erlebens und die Not des Alltags ließen keinen Raum für distanzierende Reflexion.« Er hat überlebt, »in einer verkehrten Welt«, wie er ein halbes Jahrhundert später einmal schreiben wird, »einer Welt, die aus den Fugen geraten war, einer Welt, in der Werte wie Anstand und Rücksicht außer Kraft gesetzt schienen«. Und mehr als alles andere hat ihm die innere Freiheit geholfen, »die einen Menschen dazu befähigte, das Richtige zu tun«.
    Der Kompanieführer Beitz entledigt sich der ungeliebten Uniform und seiner Waffen und beschafft sich schlecht sitzende zivile Kleidungsstücke, darunter eine kurze Lederhose, eine »richtige Sepplhose«, wie er heute sagt. Er strandet in Weimar, wo er wenigstens jemanden kennt: Die Nichte seiner einstigen Zimmerwirtin aus Stralsund ist dort mit einem Hotelier verheiratet. Bei ihr findet er vorübergehend Unterschlupf, und sie verschafft ihm auch einen Kontakt ins Landratsamt.
    In Weimar sind noch die Amerikaner stationiert, aber das werde nicht so bleiben, warnt man dort. Bald wird die Rote Armee in Thüringen einrücken, das haben die Alliierten vereinbart. In Greifswald, bei der Familie, sind ebenfalls die Russen, denen er so knapp entkommen ist. Dorthin zu gehen kann er nicht riskieren. Also will er es wieder in Hamburg versuchen, wo noch Elses Eltern leben, die Hochheims. Auf dem Landratsamt bekommt er einen nicht ganz der Wahrheit entsprechenden Passierschein: »Berthold Beitz on the way to Hamburg to attend an Oil Conference and return«. Berthold Beitz darf als Teilnehmer einer Öl-Konferenz nach Hamburg und zurück reisen. Er hat freilich nicht die Absicht, den zweiten Teil der Reiseerlaubnis zu nutzen. Auf einem Lastwagen geht es auf die lange Fahrt. Die Kontrollen sind dank seines Ausweises kein Problem. Das letzte Mal wird er vor der Harburger Eisenbahnbrücke gestoppt. Hamburg ist eine gesperrte Stadt, die Briten kontrollieren den Zugang streng und lassen nur wenige hinein. Es ist schwierig genug, für die verbliebenen Menschen in der Trümmerwüste zu sorgen. Aber auch diesmal verfehlt der Ausweis aus Weimar seine Wirkung nicht, die englischen Soldaten winken Beitz durch, und so ist er schließlich wieder dort, von wo er fünfeinhalb Jahre zuvor aufgebrochen war.
    Hamburg ist schwer gezeichnet vom Feuersturm der »Operation Gomorrha« von 1943. Mehr als die Hälfte der Wohnungen sind zerstört, der Hafen ein Chaos aus zerbombten Docks und Wracks. Die Bomben haben neben Fabriken und Hafenanlagen vor allem die Arbeiterviertel getroffen. Anderswo dagegen, auch in der Innenstadt und entlang der Alster, stehen viele der alten Straßenzüge noch, wo sich nun in den Wohnungen die Menschen auf engstem Raum drängen. Kriegsheimkehrer suchen ihre Familien, der »Kohlenklau« geht um, der Schwarzmarkt blüht trotz ruppiger Razzien. Aber die Stadt lebt, wie ein Journalist 1946 schreibt: »Die Plakatsäulen fassen kaum das bunte Durcheinander der Veranstaltungen, Theater, Kleinkunstbühnen und Varietés, Kabarets und Konzertsäle …«
    Beitz ist erst wenige Tage in Hamburg, als die Briten einen öffentlichen Aufruf erlassen: Alle ehemaligen deutschen Soldaten haben sich vor der Kunsthalle am Hauptbahnhof einzufinden. In Kellern und Verstecken der Trümmerstadt verbergen sich noch viele, die der Gefangenschaft entkommen sind. Der Aufruf dient erkennbar dem Zweck, diesen Zustand zu ändern. »Diesem Aufruf«, so Beitz heute, »bin ich natürlich nicht nachgekommen.« Stattdessen taucht er bei seinen Schwiegereltern im Vorort Wandsbek unter. Ihre Wohnung ist 1943 verbrannt, nun leben die Hochheims in einer Barackensiedlung für Ausgebombte, in einem »Ley-Haus«, wie die Notunterkünfte genannt werden – nach dem Führer der »Deutschen Arbeitsfront«. Es liegt mitten in einem Schrebergarten und besteht aus einem einzigen Zimmer, aber in der verwüsteten Stadt ist das immerhin ein Zuhause.
    Beitz’ erste Sorge gilt der Familie. Was ist aus Frau und Kind geworden, als der Sturm der Roten Armee über Pommern hinwegfegte? Greifswald ist vergleichsweise glimpflich davongekommen, dank der beherzten Tat des Wehrmachtskommandanten Rudolf Petershagen. Er weiß Ende April 1945, dass mit dem letzten Aufgebot, das er befehligt, jeder Versuch einer Verteidigung nur

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