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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Käppner
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einsehen, daß hier nur Villen von Millionären stehen sollen!« Von den Protesten des ansässigen Großbürgertums lassen sich weder Beitz noch der Erste Bürgermeister Max Brauer beeindrucken. Im Gegenteil, der populäre Sozialdemokrat, der mit dem jungen Bauherrn bestens auskommt, fördert das Vorhaben.
    Das schwungvoll geformte neue Iduna-Germania-Haus, fertiggestellt 1951, wird für lange Jahre das Symbol gelungenen Wiederaufbaus in Hamburg sein. Von außen können die Spaziergänger in die Büros hineinschauen. »Wir haben nichts zu verbergen«, scherzt Beitz über das Bauprinzip. »Hier kann man arbeiten, hier muß man arbeiten. Wir haben hier die schönsten Arbeitsplätze Europas. Sie müssen sich lohnen!«

    »Zerberus« Irmgard Heitmann, Beitz’ langjährige Sekretärin bei der Iduna-Germania in Hamburg und dann bei Krupp in Essen. Karikatur von 1953.
    Zu verdanken ist der Entwurf Ferdinand Streb, Berthold Beitz’ altem Freund aus Stralsunder Tagen. Streb ist der wichtigste Architekt der fünfziger Jahre in Hamburg. Seine Bauten sind lichtdurchflutet, weitläufig, Zeugnisse einer neuen Ära nach der dumpfen Gigantomanie der Nazijahre. Unter anderem baut er das Verlagshochhaus für Axel Springer, die hellen Grindel-Hochhäuser und sein bekanntestes Werk, den Alsterpavillon, einen würdigen Ersatz anstelle des 1943 zerbombten Seecafés, über dessen Lage Heinrich Heine einst geschrieben hatte: »Da läßt sich gut sitzen, und da saß ich gut und dachte, was ein junger Mensch zu denken pflegt, nämlich gar nichts, und betrachtete, was ein junger Mensch zu betrachten pflegt, nämlich die jungen Mädchen, die vorübergingen.« Der Pavillon ist noch heute eine Attraktion (und dass Agnes Haerlin, die Gattin des Bauherrn, das kühne Gebäude durch eine plüschige Innendekoration für Kaffeekränzchen schändet, gewiss nicht das Verschulden des konsternierten Architekten). Das Wiedersehen von Beitz und Streb ist herzlich. Pat trifft Patachon, wie die beiden scherzen – so wurden die Freunde in den unbeschwerten Stralsunder Tagen einst genannt.
    Beitz führt bei der Versicherungsgesellschaft ein straffes Regiment, das wenig an den schlaksigen Pat erinnert. Über Beitz’ Anfänge 1948 heißt es in einem zeitgenössischen Porträt: »Seine Antrittsrede ist kurz. Manches Gesicht im Saal aber wird lang: ›Wir wollen sofort an die Arbeit gehen. Es wird viel zu viel geredet in Deutschland, meine Herren.‹ Das geht nicht allen wie Honig herunter.« Und in der Mitarbeiterzeitschrift mit dem schönen Namen Weg und Ziel gibt er noch kernigere Parolen aus: »Wenn ich mich heute zum ersten Male an meine Mitarbeiter wende, so erwarten Sie von mir keine programmatische Verkündigung. Ich liebe es nicht zu reden, wenn die mir gestellte Aufgabe ein Handeln fordert. Ein Schwall gewählter Worte an Stelle zäher, zielbewußter Arbeit, ist mir genau so unsympathisch, wie es Ihnen sein wird. Ich arbeite gern … Meine Zeit und meine Gedanken, meine Kraft und mein Arbeitswille gehören ausschließlich unseren Gesellschaften.«
    Am Ende wird er viele Mitarbeiter für sich gewinnen: durch das neue Haus, die persönliche, formlose Ansprache, durch Förderung der Motivation und den »Tag der offenen Tür«, an dem er einmal im Monat ohne vereinbarten Termin für jeden Angestellten zu sprechen ist. Außerdem unterbindet er kategorisch Personalquerelen und Bürointrigen. In sein Diensttagebuch notiert er: »Ich machte die Herren darauf aufmerksam, daß ich eine reibungslose Zusammenarbeit wünsche und jeder Fall von Unterwasserschießerei von mir rücksichtslos geahndet würde.« Beitz liebt es, seinen Besuchern einen leeren Schreibtisch zu präsentieren; Aktenarbeit, das stellen sie rasch fest, ist weder seine Leidenschaft noch seine Stärke. »Er las wenig«, heißt es, »und entschied nach mündlichem Vortrag.«
    In seiner Amtszeit bis Herbst 1953 nimmt die Doppelgesellschaft einen raschen Aufschwung. Beitz konzentriert das Unternehmen auf Hamburg, belässt aber eine Dependance in Berlin, wo Streb für ihn die alte Iduna-Germania-Zentrale, einen Klassiker des Bauhauses von 1931, in der Charlottenstraße direkt an der Sektorengrenze zum Osten sorgsam wiederaufbaut. Die Assekuranz ist eine der wenigen westdeutschen Gesellschaften, die nun, mitten im aufziehenden Kalten Krieg, in größerem Stil in der Frontstadt Berlin investiert. Beitz erlebt in der geteilten Metropole dennoch nicht nur Dankbarkeit. Einmal besichtigt er mit Streb die

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