Berthold Beitz (German Edition)
Begleitern gern ein schönes Fläschchen Neumagener Rosengärtchen, Spätlese 1947, Sanitätsrat Dr. Ronde. Max Schmeling wiederum, 1936 mit spektakulärem K. o. Sieger gegen Joe Louis und 1941 Fallschirmjäger bei der mörderischen Schlacht um Kreta, stößt durch Springer zum Kreis hinzu. Mit dem Verleger hat er zuerst ins Zeitungsgeschäft einsteigen wollen. Daraus wird zwar nichts, aber Schmeling bleibt der alten Clique und nicht zuletzt Beitz treu verbunden. In den fünfziger Jahren macht er dann ein eigenes Vermögen durch amerikanische Gönner und als Chef einer Coca-Cola-Niederlassung.
Auch der Bankier Alwyn Münchmeier und Spiegel -Herausgeber Rudolf Augstein, der den Sitz des Nachrichtenmagazins 1952 von Hannover nach Hamburg verlegt, gehören zu den Hamburger Freunden. Beitz sagt im Rückblick: »Es war eine schöne Zeit, freilich hat Axel Springer dann später nicht mehr so gern hören wollen, dass ich ihm bei der Iduna-Germania zwölf Millionen Mark geliehen habe. Aber wir waren die Gruppe junger Leute, die in Hamburg etwas zu sagen hatten. Manchmal sind wir um zwei oder drei Uhr nachts noch durch die Stadt gefahren.« Sie fühlen sich unschlagbar: »Wir waren die Könige von Hamburg.«
Dies ist ein Königreich des Erfolgs. Beitz steigt mit einer geradezu atemberaubenden Leichtigkeit auf, die selbst für Wirtschaftswunderkarrieren verblüfft. Binnen weniger Jahre ist aus dem Flüchtling, der mittellos in Lederhosen auf dem Hauptbahnhof stand, einer der Topmanager der großen Stadt geworden. Er engagiert sich sogar, obwohl ihn diese Musik, freundlich formuliert, nicht recht anspricht, bei der »Gesellschaft der Freunde Bayreuths«, also den Wagner-Festspielen. Unter anderem sorgt ein stattlicher Kredit der Iduna-Germania dafür, dass diese 1951 erstmals wieder aufgeführt werden. Mit im Publikum: Berthold Beitz, der als Ehrengast die Bekanntschaft von Herbert von Karajan und Wilhelm Furtwängler macht. Vor allem aber ist die Gesellschaft der Freunde Bayreuths ein wichtiges Forum für Unternehmer, wie Beitz ohne Scheu bekennt: »Wenn Sie Kontakte zur Industrie suchen, müssen Sie mitmachen. Da haben Sie die ganze Bande beieinander.«
Darüber hinaus ist es, vielleicht, eine Zeit des Vergessens. Arbeit und Vergnügen, Aufstieg und Glück, das alles vollzieht sich in Hamburg mit einer Intensität, als entstünde hier eine Gegenwelt nicht nur zu den ärmlichen Verhältnissen der Zemminer Kindheit, sondern auch und vor allem zu den Schreckensjahren in Boryslaw – und zu den Erinnerungen daran. Nicht wenige Menschen, die Erlebnisse wie er hatten, bleiben seelisch in der Vergangenheit gefangen und finden sich in der Nachkriegsgesellschaft nicht mehr zurecht. Das prominenteste Beispiel ist Oskar Schindler, der nach 1945 in Verwahrlosung und Alkoholismus versinkt. Eberhard Helmrich, der Retter von Drohobycz, lebt vereinsamt und verarmt in den USA , wohin er emigriert ist. Beitz aber baut sich eine neue Welt mit der Kraft eines Mannes, der entschlossen ist, nicht zum Gefangenen der Vergangenheit zu werden.
Sieht man genauer hin, ist er meist von Freunden umgeben, die unverdächtig sind, die braunen Jahre zu verklären, neben Augstein, Streb und Springer etwa auch Erik Blumenfeld, ein jüdischer Auschwitz-Überlebender und Mitbegründer der Hamburger CDU . Blumenfeld ist ein enger Freund von Axel Springer und versteht sich sehr gut mit Beitz.
Dabei bleibt es erstaunlich, dass sie selbst untereinander ihre Geheimnisse für sich behalten: Beitz die seinen über Boryslaw, Schmeling über die beiden jüdischen Jungen, die er 1938, während der »Kristallnacht«, versteckt hat; Blumenfeld über seinen Widerstand und seine Leidenszeit im KZ ; sogar Haerlin, einst Mitglied der Reiter- SS – der er, wie er stets beteuerte, nur wegen des Pferdesports beigetreten sei –, hatte anders als viele Hoteliers vor dem Krieg Juden in seinem Hotel aufgenommen, die auf die Ausreise warteten. Blumenfeld immerhin stellt sich als CDU -Mann in der Hamburger Bürgerschaft hinter die Entscheidung des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy, einige verurteilte NS -Kriegsverbrecher hängen zu lassen. Das bringt ihm böse Angriffe ein »in einer Öffentlichkeit, die eher auf Schlussstrich und Amnestie eingestellt war« (Frank Bajohr). Sie reden nicht einmal miteinander über diese Dinge, so als sei ihnen das Schweigen zur zweiten Natur geworden. Dabei sind die Erlebnisse für jeden von ihnen noch sehr präsent, auch für Beitz. »Das hat
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