Berthold Beitz (German Edition)
Baustelle und begegnet dabei dem zuständigen Senator, der grimmig auf den Architekten zeigt und mit dem sprichwörtlichen Charme des Berliners raunzt: »Was, dieser kleine Mann da vorn soll das größte Bauvorhaben in Berlin durchziehen?«
Es ist die Zeit, in der die Versicherer bereits reiche Leute sind, denn ohne Absicherung der Risiken kann es keinen Wiederaufbau geben; oft vergeben sie Darlehen großzügiger als die Banken. Zusammen mit dem Finanzier Rudolf Münemann gibt Beitz dem Autokonzern Daimler-Benz sogar einen Kredit über zehn Millionen D-Mark – eine damals große Summe. Die Iduna-Germania kann es sich leisten. 1952 sorgt Beitz für eine Fusion mit der Vereinigten Leben-Versicherungsgesellschaft, deren Chef Karl Süßbauer in den Ruhestand gehen wollte. Der Zusammenschluss macht Beitz’ Unternehmen zur drittgrößten Versicherungsfirma in Westdeutschland.
Der selbstbewusste, nicht einmal vierzigjährige Generaldirektor stößt mit seiner Art manche Altgediente vor den Kopf, wie eine Firmengeschichte noch 1990 moniert: »Vielleicht war er zu unbekümmert, zu unkonventionell und zu autokratisch, wirkte zu erfolgssicher und vermochte sich nicht immer in die Mentalität und Denkweise anderer zu versetzen. Manchen mag er zum Schluß zu mächtig geworden sein.« Bei der Konkurrenz und unter seinen Gegnern im eigenen Haus raunt man, nur die hohe Position im Zonenaufsichtsamt bis 1948 könne seinen Aufstieg zum Vorstandschef der Iduna-Germania erklären. Nicht zum letzten Mal lernt er, der nie studiert hat, akademischen Hochmut kennen. In sein Diensttagebuch notiert er: »Außerdem haben die Aufsichtsämter mit meiner Bestellung zum Vorsitzer des Vorstands nichts zu tun. Grund: Grenzenloser Neid … bei den Herren Generaldirektoren, die meinen, daß nur die Leute aus ihren Kreisen Generaldirektoren werden können.« Sein bestes Gegenmittel ist Erfolg, denn nur der garantiert ihm die Freiheit von Seilschaften und mächtigen Geldhäusern, die ihm zeitlebens am Herzen liegen wird: »Gott sei Dank ist die IG eine finanziell unabhängige Gesellschaft, unabhängig vom Großkapital und von den Banken. Ich glaube, daß dies für die Zukunft eine bessere Grundlage ist als die engen Kapitalverbindungen.«
Das ist eine sehr selbstbewusste Haltung für einen jungen Mann, so erfolgreich er auch sein mag. Folgt man Axel Springers Biographen Hans-Peter Schwarz, sind diese frühen Wiederaufbaujahre geprägt von »einem brodelnden Heer lebens- und erfolgshungriger Idealisten«, von denen Springer »einer der erfolgreichsten« war. Und natürlich Berthold Beitz, der den jungen Verleger in diesen ersten Nachkriegsjahren kennen- und schätzen lernt. Springer, geboren 1912 in Altona, nur ein Jahr vor Berthold Beitz, hat die Nazis abgelehnt und es geschafft, in den Kriegsjahren nicht eingezogen zu werden. Nach 1945 startet er in Hamburg durch und begründet mit britischer Hilfe sein Zeitungsimperium: Hör Zu!, Hamburger Abendblatt, Bild . Axel Springer erhält von der Iduna-Germania sogar ein Hypothekendarlehen von zwölf Millionen Mark für den Neubau seines Verlagshauses. Um die beiden Männer bildet sich bald eine lebenslustige Clique aus jungen Erfolgsmenschen wie Streb, bekannten Stars wie dem Boxer Max Schmeling und originellen Gestalten wie Hans Thiede, der nur wenige Meter von Beitz’ erstem Hauptquartier neben Streits Hotel eine Parfümerie betreibt, in der sich die Herren gern rasieren lassen. Morgens sieht Beitz den nur 1,50 Meter großen Thiede manches Mal vor dem Laden am Jungfernstieg 40 stehen, wo er mit dem Bowlerhut auf dem Kopf seine Kunden namentlich begrüßt.
Die jungen Aufsteiger speisen gern in den besseren Häusern der Stadt, dem »Weinrestaurant Halali« an den Großen Bleichen oder nach der Freigabe durch die Briten 1952 in den »Vier Jahreszeiten« an der Binnenalster. Beide Häuser gehören Fritz Haerlin, einem weiteren, freilich älteren Mitglied des Freundeskreises. Das »Halali« ist mit einem Gobelin verziert, den Haerlin während des Krieges in einer Scheune versteckt hat; es bietet neben »Schümanns Austernkeller« die beste Küche der Stadt und einen für die Nachkriegsjahre schwelgerischen Luxus mit seinen samtbezogenen Stühlen, dem schweren Silber und alten Kristallgläsern. Beitz geht hier ein und aus, etwa mit SPD -Wirtschaftssenator Karl Schiller, den er 1967 während der großen Krupp-Krise unter erheblich weniger erbaulichen Umständen wiedertreffen wird, und trinkt mit seinen
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