Berthold Beitz (German Edition)
Whisky, Reval in Kette rauchend, wortkarg. Der Künstler ist sensibel genug, den alten Freund nicht mit Anliegen oder Wünschen zu behelligen, wie es sonst so viele tun. Dietrich Otzen schreibt in seinem Abriss über Sprengers Leben: »Die gegenseitigen Geschenke bewegten sich auf dem Niveau eines Picknick-Korbes oder ausgewählter Schallplatten.« Auch manche Reise unternehmen sie gemeinsam.
Nach jener ersten Begegnung kommt Alfried Krupp wiederholt nach Hamburg und besucht Beitz bei der Iduna-Germania an der Rabenstraße. Der freilich rätselt, was der stille Mann von der Ruhr denn bei ihm wollen könne: »Ich saß in meinem schicken Büro an der Alster, alles aus Glas, ganz modern gebaut. Und im Sessel saß Alfried Krupp, wir sprachen über dieses und jenes. Aber was ihn eigentlich herführte, das verriet er nicht.« Beitz fragt sich: Will er Geld? Will er einen Kredit? Das wird es sein: »Wir Lebensversicherer hatten Geld, wir waren damals reiche Leute.« Aber Krupp fragt nicht nach Geld.
EIN MANN MIT VERGANGENHEIT
Beitz informiert sich über den rätselhaften Gast, und sein Freund Axel Springer lässt ihm ein Archivdossier zusammenstellen.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, geboren 1907, ist der älteste Sohn von Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach und Alleininhaber der Firma Krupp. Von seinen sieben Geschwistern sind die Brüder Claus und Eckbert im Krieg umgekommen. Alfrieds Kindheit in der Villa Hügel, dem zyklopischen Familiensitz in Essen, ist geprägt von väterlichen Strafen, von Strenge, Gefühlskälte und den Erwartungen an ein künftiges Mitglied der industriellen Führungsschicht. Alfrieds Wünsche und Gefühle haben sich der Rolle zu fügen, die von Anfang an festgelegt ist. »Mein Leben hat nie von mir selbst abgehangen«, wird er später einmal sagen. Er studiert in Aachen und München. Die gemeinsame Studienzeit mit Jean Sprenger im Vorkriegs-Berlin ist eine kurze Flucht. In Berlin verliebt er sich und heiratet gegen den Willen der Eltern 1937 die schöne, lebenslustige, bereits geschiedene und persönlich unstete Annelise Bahr. Ob die Verbindung nun nicht standesgemäß genug für die Familie ist oder ob Annelise Bahr sich nicht einfügen mochte in den Familienclan, jedenfalls ist die Ehe früh zerrüttet. Schon 1939 ist er von Annelise und dem gemeinsamen kleinen Sohn Arndt getrennt. »So endete Alfried von Bohlens erste Ehe«, schrieb Golo Mann in seiner unvollendeten, unveröffentlichten Biographie Alfried Krupps, »ein flüchtiger Ausflug in Unabhängigkeit und Glück.« Im Dezember 1943 rückt er schließlich an die Spitze des Konzerns.
Die Firma Krupp gehört, wenn auch in geringerem Umfang als während des Ersten Weltkriegs, in den Jahren von 1939 bis 1945 zu den führenden Rüstungsproduzenten Deutschlands. Hitler spricht von der »Waffenschmiede des Reiches«. »Hart wie Kruppstahl« müsse die deutsche Jugend werden, schreit der Diktator gern in seinen ekstatischen Ansprachen; allein dadurch entrückt der Name Krupp ins Mythische, das mit der Realität nur teilweise zu tun hat. Für den Essener Großkonzern bauen 1939 schon 125 000 Arbeiter Panzer, schwere Artillerie und Waffen aller Art – aber in noch größerem Maße zivile Produkte wie zuvor. Im Laufe des Kriegs regieren die Nazis, vor allem Hitlers oberster Rüstungsplaner Albert Speer, immer direkter in die Firmenpolitikhinein. Ein Konzern wie Krupp kann und darf sich dem Kriegnicht entziehen, Gustav Krupp will es auch nicht. Gustav Krupp, überzeugt davon, dass die Firma im Erbfall weiterhin in einer Hand bleiben müsse, setzt 1943 mit der »Lex Krupp« durch, dass die Aktiengesellschaft wieder in ein Familienunternehmen mit einem einzigen Inhaber umgewandelt werden konnte. Doch der zweitälteste Sohn, Claus von Bohlen, Liebling des Vaters, der vielen als möglicher kommender Erbe galt, ist schon 1940 als Piloteines Jagdflugzeugs der Luftwaffe abgestürzt. Um die Gesundheit des Vaters steht es schlecht, und so kommt die Reihean Alfried.
Seine Rolle bis zur Kapitulation 1945 ist zwiespältig und entbehrt gewiss nicht persönlicher Tragik. Er ist ein Herr, kein Bonze, die Naziideologie spricht ihn nicht an. Er tut, wozu man ihn erzogen hat und was er als seine Pflicht versteht. Er sorgt wiederholt für eine bessere Behandlung von Zwangsarbeitern und fordert doch solche an. Er unterscheidet sich durch höfliche Umgangsformen und elegante Zivilkleidung geradezu demonstrativ von seiner uniformversessenen
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