Berthold Beitz (German Edition)
Außenminister Rapacki und Außenhandelsminister Trampczynki empfangen wurde«, schreibt Beitz im Rückblick.
Mit Adam Rapacki spricht er über Wirtschaftsfragen, aber auch über die große Politik. Der selbstbewusste KP -Funktionär hat im Jahr zuvor einen Abrüstungsplan für Mitteleuropa entwickelt, der im Westen auf einigen Widerhall gestoßen ist, zumal bei den Teilnehmern der Massendemonstrationen in Westdeutschland, die »Kampf dem Atomtod« predigen. Polen und die beiden deutschen Staaten sollten, so Rapacki, zur atomwaffenfreien Zone werden. Nichts könnte freilich weniger im Sinne Konrad Adenauers und seines Verteidigungsministers Franz Josef Strauß sein. Die Regierung betrachtet den polnischen Vorschlag als kommunistisches Täuschungsmanöver, zu dem Zweck, die Westdeutschen unter dem schützenden Schirm der Nato hervorzulocken. Strauß dagegen würde die Bundeswehr am liebsten mit Atomwaffen ausrüsten, die den Deutschen untersagt sind.
Beitz glaubt dagegen, dass Rapackis Hauptmotiv Polens Sehnsucht ist, sich nach Stalins Tod »eine gewisse Eigenständigkeit von der Sowjetunion und ihrer Rolle in der Konfrontation des Kalten Krieges zu verschaffen«. Dennoch konfrontiert er Rapacki mit der Frage, ob nicht eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa ein erdrückendes Übergewicht des hochgerüsteten Warschauer Paktesbei den herkömmlichen Waffen zur Folge hätte, bei den Panzern, Geschützen und Kampfjets. Der Pole aber hält geschickt dagegen: Sein Plan könne später doch »auch zu einer Vereinbarung über die Verminderung konventioneller Waffen führen«, und überhaupt komme es auf die Ausgestaltung an. Gewiss, in einem »atomwaffenfreien Raum haben die konventionellen Waffen selbstverständlich ein Übergewicht, je nachdem, ob man Frankreich oder die UdSSR aufnähme. Nähme man Frankreich auf, die UdSSR aber nicht – dann läge doch das Übergewicht beim Westen.«
Es wird nie etwas werden aus dem Rapacki-Plan und dem polnischen Alleingang. Dennoch ist ein bedeutsamer Anfang gemacht. Die Polen haben mit Beitz einen deutschen Gesprächspartner gewonnen, den sie für bedeutend genug halten, um ihn als Mittler zwischen den Welten zu akzeptieren. Beitz seinerseits wirbt um ihr Vertrauen, mit Charme und Humor, als einer der ersten Deutschen, die nach dem Krieg überhaupt Interesse an den Opfern von einst zeigen. Sein Protokollchef Carl Hundhausen notiert: »Viele rein persönliche Bemerkungen und Gesprächsphasen haben zu einer ganz offenen und positiven Aussprache von außerordentlichem zeitlichem Ausmaß geführt.« Und das ist wohl der wichtigste Ertrag dieser ersten Reise.
Die beste Bühne für Kontakte zum Osten sind die Industriemessen, ob in Ost oder West. Krupps großes Schaufenster ist die Hannover-Messe, genauer der eigene Pavillon dort, streng orchestriert von Beitz und seinem besten Mann für besondere Aufgaben – Kurt Schoop. Im April 1958 sitzen hier, wie beschrieben, Anastas Iwanowitsch Mikojan, der stellvertretende Ministerratsvorsitzende der Sowjetunion, Beitz und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard im Krupp-Pavillon beieinander. Erhard pafft an seiner Zigarre und staunt nicht nur über Beitz’ Nonchalance, »Kinder statt Kanonen« als Konzernpolitik auszugeben, sondern gewiss noch mehr darüber, dass Mikojan den Krupp-Mann daraufhin nach Moskau einlädt.
Schon Ende Mai 1958 fliegt Berthold Beitz in die Sowjetunion. Moskaus Botschafter in Bonn, Andrej Smirnow, hat die Visite in enger Abstimmung mit Beitz geplant, den er im Vorfeld in Essen besucht. Eine Woche lang ist Beitz nun Ehrengast der sowjetischen Regierung, speist mit Mikojan und besichtigt große Kombinate und die Zeugnisse des erfolgreichen Wiederaufbaus.
Natürlich ist Mikojans Einladung nicht allein persönlicher Sympathie zu verdanken. Der Kreml hat erst im April 1958, also wenige Wochen vor Beitz’ Reise, mit der Bundesrepublik einen Vertrag über den Waren- und Zahlungsverkehr geschlossen, und Moskau möchte mehr: ein ordentliches Handelsabkommen, wie es zwischen souveränen Staaten üblich ist. »Es muß gar nicht verschwiegen werden«, schreibt Beitz später, »daß aus Sicht der deutschen Industrie ein großes wirtschaftliches Interesse an solchen Kontakten bestand.« Zur gleichen Zeit wie Beitz hält sich deshalb eine andere Krupp-Delegation in der Stadt auf, die über die Lieferung von Chemieausrüstungen nach Russland verhandelt. »Der sowjetische Markt«, erklärt Beitz anschließend, »bietet der
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