Berthold Beitz (German Edition)
worden ist und daß über sie das Auswärtige Amt durch Herrn Beitz persönlich unterrichtet worden ist.«
Falls Adenauer gehofft haben sollte, den lästigen Beitz in die Schranken weisen zu können, so sieht er sich nun getäuscht. Ein öffentlicher Streit mit Deutschlands wichtigstem privatem Konzernherrn kann dem Kanzler nicht von politischem Nutzen sein, zumal seine Argumente mehr als dürftig sind. Geschickt rudert der Regierungschef daher in seinem Antwortbrief an Krupp zurück. Mit rheinischer Großzügigkeit bei der Interpretation strittiger Vorgänge bestreitet er schlicht, je etwas gesagt zu haben, »was überhaupt die Möglichkeit eines Zweifels an Ihrer nationalen Zuverlässigkeit zulassen würde. Herrn Dr. Pferdmenges, der anwesend war, habe ich gefragt, ob ich etwas derartiges gesagt hätte. Er hat das absolut verneint.« Nun hat er ja nicht an Alfried Krupps »nationaler Zuverlässigkeit« gezweifelt, sondern an der von Berthold Beitz. Aber den erwähnt er in dem Schreiben gar nicht erst. Im Übrigen beklagt er weiterhin, dass die Firma Krupp zumindest das Bundeswirtschaftsministerium nicht ausreichend über die Reise informiert habe. Es ist ein Rückzieher von sehr geringer Glaubwürdigkeit.
»ICH BIN EIN VORKÄMPFER«: MOTIVE
Der Konflikt mit dem Kanzler legt die Frage nach den Motiven nahe, die Beitz gegen so viele Widerstände die Nähe des Ostens suchen lassen. Was will er auf all den Reisen seit 1958 in Moskau, beim abendlichen Wodka auf der Messe in Posen, auf der Braunbärenjagd in den rumänischen Karpaten? Seine offizielle Antwort ist stets jene, die er 1961 dem Polen-Korrespondenten Hansjakob Stehle gibt: »Ich bin Vorkämpfer für ein Ostgeschäft, ich betreibe keine Politik. Ich stelle nur meine Kenntnisse und meine Beziehungen in den Dienst der Politik, wenn sie gebraucht und angefordert werden.«
Da ist also, natürlich, zuerst einmal das Geschäft. In den fünfziger und sechziger Jahren ist Krupp dringend auf neue Märkte angewiesen. Alfried Krupp lehnt es bekanntlich ab, wieder Waffen herzustellen. »Deswegen«, so Beitz heute, »hatte ich das große Glück, dass ich meine Kontakte in den Osten nutzen konnte. Ich habe viele Aufträge hereingeholt, und wir wurden auch gut bezahlt.«
Dennoch: Die treuherzige Aussage, er »betreibe keine Politik«, ist nur die halbe Wahrheit. Wenn einer der mächtigsten Industriellen der Bundesrepublik das Kanzleramt offen provoziert und mit den Staatenlenkern des Ostens verhandelt, ist das sehr wohl ein Politikum, wie Beitz später zugeben wird. Der tiefere Grund seiner versöhnlichen Einstellung zu Osteuropa liegt in einem verletzten Gerechtigkeitsgefühl. Beitz hat den Horror deutscher Besatzung in Polen über Jahre aus nächster Nähe erlebt. »Meine politische Einstellung entspringt meiner Erfahrung im Krieg«, wird er Jahrzehnte später sagen, »deshalb wollte ich nach 1945 einen Neuanfang in Osteuropa.«
Er gehört keineswegs zu den zahlreichen Träumern dieser Jahre, gleich ob von links oder von rechts, welche die Integration der Bundesrepublik in den Westen, Adenauers Lebenswerk, in Frage stellen. Allerdings lehnt er die übliche Verteufelung des Ostens ab, die in der Adenauer-Ära mit der Westbindung einhergeht und vielleicht sogar deren Kitt ist. Und es ist gewiss nicht so, dass ausgerechnet der starke Mann von Krupp Sympathien für den Kommunismus und seine Schattenseiten hegte. Beitz ist freilich Realist genug, um die Dinge sehr früh so pragmatisch einzuschätzen, wie es die neuen Ostpolitiker ein Jahrzehnt später tun werden, allen voran Willy Brandt, der sagt: »Wir werden nichts preisgeben, was nicht schon verspielt worden ist, und zwar von einem verbrecherischen Regime, dem Nationalsozialismus.«
Die Ost- und zumal die Polen-Politik der Bundesrepublik unter Adenauer scheint aus Beitz’ Sicht diese harten Realitäten auszublenden und daher überwiegend nutzlos, weltanschaulich verblendet, ja verlogen zu sein. Beitz glaubt, dass der Bundeskanzler, der doch so viel für die Aussöhnung mit Israel und den Juden getan hat, die moralischen Verpflichtungen Polen gegenüber ignoriert.
»Adenauer war zögernd. Er wollte nicht den großen Schwung«, sagt er 1977 zu Golo Mann. »Ich habe ihm gesagt, Herr Bundeskanzler, die Polen sind sehr stolz. Was passiert ist, sitzt bei ihnen tief drin. Das ist doch erst zehn, fünfzehn Jahre her, habe ich gesagt. Das können Sie nicht so wegwischen.« Adenauer sei ihm wie der Inbegriff einer sehr
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