Bertrams Hotel
warten, bis Mr Bollard frei ist.«
Kurz darauf war Mr Bollard mit seinem Kunden fertig, und Elvira war an der Reihe.
»Guten Morgen, Mr Bollard«, sagte sie.
»Leider ist Ihre Uhr noch nicht repariert, Miss Elvira«, sagte Mr Bollard.
»Oh, ich komme nicht wegen der Uhr«, erklärte Elvira. »Ich bin hier, um mich zu entschuldigen. Mir ist etwas Schreckliches passiert.« Sie öffnete ihre Handtasche und zog eine kleine Schachtel heraus. Dieser entnahm sie das mit Saphiren und Diamanten besetzte Armband. »Sie werden sich gewiss entsinnen, dass ich – als ich meine Uhr herbrachte – mir Verschiedenes ansah, um mir ein Weihnachtsgeschenk auszusuchen. Während ich damit beschäftigt war, passierte draußen ein Unfall. Jemand wurde überfahren, glaube ich, oder beinahe überfahren. Ich muss das Armband wohl gerade in der Hand gehabt und in der Aufregung in die Tasche meines Kostüms gesteckt haben. Leider habe ich es erst heute Morgen entdeckt. Aber da bin ich sofort losgestürmt, um es Ihnen zurückzubringen. Es tut mir so schrecklich leid, Mr Bollard, ich weiß wirklich nicht, wie ich dazu kam, so idiotisch zu handeln.«
»Nun, das ist nicht so schlimm, Miss Elvira«, erwiderte Mr Bollard gemessen.
»Sie haben sicher angenommen, jemand habe das Armband gestohlen«, meinte Elvira.
Ihre klaren blauen Augen begegneten seinem Blick.
»Wir hatten den Verlust allerdings bemerkt«, sagte Mr Bollard. »Vielen Dank, Miss Elvira, dass Sie es so prompt gebracht haben.«
»Es war mir schrecklich peinlich, als ich es entdeckte«, beteuerte Elvira. »Nun, ich bin Ihnen sehr dankbar, Mr Bollard, dass Sie mir keine Vorwürfe machen.«
»Es passieren viele seltsame Versehen«, meinte Mr Bollard. Er lächelte sie an wie ein guter alter Onkel. »Wir wollen die Sache vergessen. Tun Sie es aber nicht wieder.«
»O nein«, versprach Elvira, »in Zukunft werde ich schrecklich vorsichtig sein.«
Sie lächelte ihm zu, drehte sich um und verließ den Laden.
»Was steckt wohl dahinter?«, murmelte Mr Bollard vor sich hin. »Das möchte ich wirklich gern wissen…«
10
D ie Büroräume der Anwaltsfirma Egerton, Forbes & Wilborough lagen in Bloomsbury, und zwar an einem jener imposanten und würdevollen Plätze, die dem Wandel der Zeit standgehalten hatten. Ihr Messingschild war – wie sich das für eine alte Firma gehört – bis zur Unkenntlichkeit abgenützt. Die Firma bestand seit über hundert Jahren, und ein ansehnlicher Teil des englischen Landadels gehörte zu ihren Klienten. In der Firma existierte kein Forbes mehr und auch kein Wilborough. Allerdings war noch ein Egerton vorhanden, ein Nachkomme des ursprünglichen Egerton. Er war ein Mann von zweiundfünfzig Jahren und Ratgeber mehrerer Familien, die in früheren Tagen schon von seinem Großvater, seinem Onkel und seinem Vater beraten worden waren.
In diesem Augenblick saß er hinter einem riesigen Mahagonischreibtisch in seinem hübsch ausgestatteten Zimmer im ersten Stock und nahm den Hörer von der Gabel. »Lord Frederick ist fort. Schicken Sie bitte Miss Blake herauf.«
Während er auf sie wartete, stellte er eine kurze Berechnung auf seinem Notizblock an. Wie viele Jahre waren vergangen, seit – sie musste jetzt fünfzehn oder sechzehn sein oder siebzehn, vielleicht sogar noch älter. Die Zeit flog ja nur so dahin. Conistons Tochter, dachte er, und Bess’ Tochter. Wem sie wohl nachschlägt?
Die Tür öffnete sich. Der Angestellte meldete Miss Elvira Blake, und das Mädchen trat ins Zimmer. Egerton erhob sich von seinem Stuhl und kam auf sie zu. Äußerlich, dachte er, ähnelt sie weder ihr noch ihm.
»Wahrscheinlich«, meinte Elvira ein wenig unsicher, »hätte ich Ihnen erst schreiben sollen, um einen Termin auszumachen. Aber ich habe mich eigentlich ganz plötzlich zu diesem Besuch entschlossen; ich wollte die Gelegenheit wahrnehmen, da ich gerade in London bin.«
»Und was machen Sie hier?«
»Ich muss meine Zähne nachsehen lassen.«
»Ekelhafte Dinger, diese Zähne«, meinte Egerton. »Bereiten uns Scherereien von der Wiege bis zur Bahre. Aber ich bin Ihren Zähnen dankbar, dass sie mir das Vergnügen verschaffen, Sie zu sehen. Warten Sie mal, Sie waren gerade in Italien, nicht wahr, in einem Pensionat…«
»Ja«, erwiderte Elvira, »bei der Contessa Martinelli. Aber ich kehre nicht mehr dorthin zurück. Im Augenblick wohne ich bei den Melfords in Kent, bis ich mir überlegt habe, was ich unternehmen will.«
»Na, ich hoffe, Sie finden etwas
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