Bertrams Hotel
dem hübschen Gesicht und der schlanken Figur wirkte ebenso sportlich wie sein Auto.
Der Portier hielt den Wagenschlag offen. Der junge Mann sprang hinein, warf dem Portier eine Münze zu und schoss mit aufheulendem Motor davon.
»Sie wissen ja wohl, wer das ist, nicht wahr?«, fragte Michael Gorman.
»Ein gefährlicher Fahrer auf jeden Fall.«
»Ladislaus Malinowski. Hat vor zwei Jahren den Grand Prix gewonnen – Weltmeister war er. Im letzten Jahr hatte er einen bösen Unfall, aber es heißt, er sei ganz wiederhergestellt.«
»Nun erzählen Sie mir bloß nicht, dass der sich im Bertrams aufhält. Passt gar nicht hierher.«
Michael Gorman grinste.
»Er wohnt nicht hier, nein, gewiss nicht. Aber eine gute Freundin von ihm…« Michael Gorman zwinkerte viel sagend.
Ein Hoteldiener mit gestreifter Schürze erschien und brachte noch mehr amerikanisches Reisegepäck in Luxusausführung heraus.
Vater beobachtete geistesabwesend, wie alles in einem Daimler-Mietwagen verstaut wurde, während er sich ins Gedächtnis zurückzurufen versuchte, was er über Ladislaus Malinowski wusste. Ein waghalsiger Bursche, von dem es hieß, dass er Beziehungen zu einer recht bekannten Frau unterhalte – wie hieß sie doch gleich? Er starrte immer noch auf einen eleganten Überseekoffer und wollte gerade umkehren, als er sich plötzlich eines anderen besann und wieder ins Hotel eilte.
Er ging zum Empfang und bat Miss Gorringe um das Hotelregister. Miss Gorringe war gerade mit abreisenden Amerikanern beschäftigt und schob ihm das Buch hin. Sein Blick wanderte über die Namen. Sir John Woodstock, 5 Beaumont Crescent, Cheltenham. Lady Sedgwick, Hurstins House, Northumberland, Mr und Mrs Eimer Cabot, Connecticut. General Radley, 14, The Green, Chichester. La Comtesse de Beauville, Les Sapins, St-Germain-en-Laye. Miss Jane Marple, St. Mary Mead, Much Benham. Colonel Luscombe, Little Green, Suffolk. Mrs Carpenter, The Hon. Elvira Blake. Kanonikus Pennyfather, The Close, Chadminster. Mr und Mrs Ryesville, Valley Forge, Pennsylvania. The Duke of Barnstable, Doone Castle, N. Devon… Ein Querschnitt der Gesellschaft, die in Bertrams Hotel wohnte.
Als er das Buch schließen wollte, fiel sein Blick auf einen Namen, der auf einer vorhergehenden Seite stand. Sir William Ludgrove.
Richter Ludgrove, der von einem Bewährungshelfer nahe dem Schauplatz eines Bankraubs erkannt worden war. Richter Ludgrove – Kanonikus Pennyfather – beide Gäste in Bertrams Hotel…
»Hoffentlich hat Ihnen der Tee geschmeckt, Sir.« Diese Bemerkung kam von Henry, der plötzlich neben Vater stand. Er sprach höflich und mit der leichten Besorgnis des vollkommenen Gastgebers.
»Der beste Tee seit Jahren«, versicherte ihm Chefinspektor Davy.
Es fiel ihm ein, dass er noch nicht bezahlt hatte. Er zückte sein Portmonee, doch Henry hob abwehrend die Hand.
»O nein, Sir. Sie waren unser Gast. Mr Humfries wünschte es so.«
Henry ging weiter. Vater war im Zweifel, ob er Henry ein Trinkgeld hätte anbieten sollen oder nicht. Es war ein ärgerlicher Gedanke, dass Henry gesellschaftliche Probleme besser zu lösen verstand als er!
Als er wieder die Straße entlangschlenderte, blieb er plötzlich stehen. Er nahm sein Notizbuch aus der Tasche und notierte sich einen Namen und eine Adresse – es war keine Zeit zu verlieren. Er betrat die nächste Telefonzelle. Jetzt würde er einmal etwas riskieren. Aufgrund eines leisen Verdachts würde er nun aufs Ganze gehen.
16
E s war der Schrank, der Kanonikus Pennyfather störte. Er beunruhigte ihn, noch ehe er völlig wach war. Dann vergaß er ihn und schlief wieder ein. Doch als er die Augen von Neuem aufschlug, stand der Schrank immer noch am verkehrten Platz. Kanonikus Pennyfather lag auf der linken Seite, das Gesicht dem Fenster zugekehrt, und der Schrank hätte sich eigentlich an der linken Wand zwischen ihm und dem Fenster befinden müssen. Aber dort stand er nicht. Er war an der rechten Wand. Das irritierte ihn – so sehr, dass ihn eine große Müdigkeit überkam. Er hatte gewaltige Kopfschmerzen, und dazu noch der Schrank am verkehrten Platz… Hier schlossen sich seine Augen wieder.
Es war bedeutend heller im Zimmer, als er das nächste Mal erwachte. Es war zwar noch nicht helllichter Tag – nur das schwache Licht der Morgendämmerung sickerte durchs Fenster. »Meine Güte«, sagte Kanonikus Pennyfather vor sich hin, als er plötzlich das Rätsel des Schrankes gelöst hatte, »wie dumm von mir! Ich bin ja
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